von Oliver Fülling

Chinas bekannteste ReiserouteDie Seidenstraße

Die Wüstenregion Mingsha Shan (Klingender Sandberg) bei Dunhuang © DuMont Bildarchiv / Michael Riehle

Wohl kaum eine andere Reiseroute zieht Reisende so magisch an, wie die Seidenstraße. Endlose Sandwüsten und Steppen, unzugängliche gewaltige Hochgebirge und einsame Almen, grüne Wälder und weite Seen, grandiose Kulturzeugnisse und Vielfalt der Kulturen, pulsierende Basare und gemächliches Oasenleben sind die Zutaten zu einem unvergleichlichen Stück asiatischen Orients, der durch den Seidenstraßenhandel seinen unverwechselbaren Charakter erhalten hat.

Jahrhundertelang zogen Händler, diplomatische Gesandtschaften, Pilger und Missionare aller Religionen, Abenteurer, ganze Völker und Krieger von West nach Ost und umgekehrt, zu Pferd und mit Kamelen, Eseln und Maultieren für die Lasten. Die unersättliche Gier nach dem Luxusgut Seide war es, die den Handelsaustausch über die Seidenstraße in Gang setzte und am Laufen hielt. Von der alten Hauptstadt Chang’an, dem heutigen Xi’an, im Herzen Chinas führten die Handelswege durch den engen Hexi-Korridor zur Taklamakan, der zweitgrößten Sandwüste der Welt, die über eine nördliche und südliche Route nach Kashgar umgangen wurde und über Taschkent, Samarkand, Buchara und Merw weiter bis Persien und schließlich nach Antiochien am Mittelmeer.

Aber, so bedeutend der Handel für die Königreiche entlang der Seidenstraße auch war, es war der Buddhismus, der bis heute die grandiosesten Zeugnisse der Existenz dieses Handelsweges, bereitstellt. Könige und Generäle, Händler und Pilger spendeten für ihr Seelenheil und Bildhauer meißelten im Gegenzug Hunderttausende von buddhistischen Skulpturen in die kargen Felsen der Wüste.

Großstadt der Superlative

Unglaubliche 2 Millionen Einwohner zählte Chinas alte Hauptstadt Chang’an während ihrer Blütezeit im 7. Jh. Zu jener Zeit war die Stadt, die schon damals auf eine tausendjährige Geschichte zurückblicken konnte, die kosmopolitischste Metropole der Welt. Hier setzte sich Chinas erster Kaiser mit der Terrakotta-Armee ein Denkmal für die Ewigkeit. Die Nekropolen weiterer zahlloser Kaiser und Fürsten sprenkeln die gesamte Umgebung, während unzählige buddhistische Tempel, darunter der Tempel der Strohhütte, die Große und die Kleine Wildganspagode von der überragenden Bedeutung der alten Hauptstadt für die Verbreitung des Buddhismus in China zeugen. Das moderne Xi’an bietet aber nicht nur Kultur sondern auch ein reges Nachtleben und wenigstens einmal sollte man abends die gemütliche Barstraße Defu Xiang am Südtor der Stadtmauer aufsuchen, wo sich Dutzende von Kneipen aneinanderreihen.

 

Das Tor nach Westen

Ferne 1500 km westlich von Xi’an liegt die alte Garnisonsstadt Jiayuguan. Hier endet die Große Mauer in einem mächtigen Fort. Wenn das lehmfarbene Bauwerk im warmen Licht der Morgensonne leuchtet, kann man beinahe vergessen, dass man sich in einer lebensfeindlichen Wüste umgeben von den eisüberzogenen Gebirgszügen des Qilian Shan befindet, aber den Händlern zeigte die Festung an, dass sie nun den letzten Außenposten des Reichs der Mitte verließen und in eine unbekannte, lebensfeindliche Welt aufbrachen.

Buddhistische Glanzlichter

Ein weites Meer aus mächtigen bis zu 100 m hohen Sanddünen, empfängt die Reisenden, die es bis in den quirligen Oasenort Dunhuang geschafft haben. Mit der Verlagerung des Handels auf den Seeweg, war das ehemalige Königreich in Vergessenheit geraten – bis ein daoistischer Wandermönch 1899 einen der aufregendsten archäologischen Funde der Neuzeit machte. In einer im Jahre 1036 versiegelten Höhle entdeckte er zehntausende Dokumente und Kulturzeugnisse aus dem 4.-10. Jh. In den angrenzenden Mogao-Grotten erwartet die Besucher dagegen ein buddhistisches Höhlenbilderbuch, das 800 Jahre chinesischer und zentralasiatischer Kunstentwicklung zeigt, wie man es sich großartiger nicht vorstellen kann.

 

Oasen zwischen Macht und Religion

50 °C im schatten, flirrende Hitze, vielleicht die eine oder andere Fata Morgana erwarten die Besucher, die im Hochsommer nach Turfan, dem zweittiefsten Ort der Erde reisen. Eigentlich alles Gründe die 154 m unter dem Meeresspiegel liegende Oase links liegen zu lassen. Doch Turfan ist nicht nur für seine Weintrauben berühmt, die über ein ausgefeiltes Kanalsystem, die Karez, bewässert werden. Die trockene Hitze hat die uralten Königsstädte Gaochang und Jiaohe konserviert, während man in den Flammenbergen die herrlich gelegenen buddhistischen Bezeklik-Grotten bewundern kann.

Kuqa ist eine weitere der buddhistischen, aber auch kulturellen Hochburgen des fernen chinesischen Westens und war zu seiner Blütezeit die reichste Stadt an der Seidenstraße und ein Platz höchster Kultur. Von hier kam im 7. Jh. die Musik Chinas und außerhalb der Oase kann man die Ruinen der alten buddhistischen Klosterstadt Subashi oder die in die steilen Klippen gehauenen buddhistischen Grotten von Kizil bestaunen.

Eine lange Tagesreise von Kuqa entfernt liegt Kashgar. Zeit seines zweitausendjährigen Bestehens war die Stadt eine Drehscheibe der Kulturen. Hier leben Uighuren, Kasachen und viele andere Nationalitäten Zentralasiens und verleihen dem quirligen, bunten Altstadtbasar und dem riesigen Sonntagsmarkt echtes orientalisches Flair.

Tipp: Fahrradtour auf Xi'ans Stadtmauer

Morgens wird der 14 km lange Park um die Stadtmauer von Xi’an von unzähligen Menschen bevölkert, die hier Schattenboxen, Qigong, Kongfu, modernen Tanz, Gesang und vieles mehr praktizieren. Das ist die beste Zeit, um sich über dem Südtor der Stadtmauer für nur 2 € ein Fahrrad zu mieten und die erwachende Metropole, den Ort, wo die Seidenstraße ihren Ausgang genommen hat, auf der breiten Mauer zu umrunden.


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  • Oliver Fülling Unterwegs in Asien

    Oliver Fülling ist für DuMont Reise unterwegs in Peking, Shanghai, Hongkong und ganz China, inklusive Tibet.

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