Reportage

TrendReise, Arbeit, Alltag: Digitales Nomadentum

Costa Rica gilt als eine neue Top-Destination ©shutterstock.com/Djavan Rodriguez

Estland war das erste Land, das 2020 ein offizielles Digital-Nomad-Visum einführte, heute ist der Trend auf dem ganzen Globus bekannt. Thailand, Mexiko, Costa Rica, Gran Canaria, Portugal, Spanien oder Dubai gelten als Top-Destinationen. Authentische Reiseerfahrungen, ein entspannter Arbeitsflow, paradiesische Strände und ein verführerisches Freiheitsversprechen gelten als Hauptmotivatoren. Ein Blick auf den Lifestyle:

 

Wie neu ist er?

 

Obwohl es in den letzten Jahren zu einem erheblichen Aufwind gekommen ist, ist das Digitale Nomadentum de facto nicht wirklich etwas Neues. Der Begriff wurde bereits 1997 durch das Buch Digital Nomad von Tsugio Makimoto und David Manners geprägt. Viele der „traditionellen Nomads“ stammten aus der Tech-Branche, das Spektrum hat sich aber mittlerweile bis auf um klassischere Berufe wie Anwälte und Wissenschaftler geweitet. Einhergehend mit den technischen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre, ist die Begeisterung explosionsartig gewachsen. Die Corona-Pandemie und das damit zu einer Selbstverständlichkeit gewordene Remote-Working waren wichtige Treiber. Aufgrund des innewohnenden Reiseaspekts kann es mittlerweile als globales Phänomen bezeichnet werden

 

Wer sind Digitale Nomaden?

 

Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern, wobei dir größte Gruppe mit schätzungsweise 30% aus den USA kommt, gefolgt von Deutschland und Großbritannien mit rund 11%. Gerade jüngere Menschen, die im digitalen Bereich arbeiten, finden an dem unkonventionellen Lebensmodell Gefallen. Der Altersdurchschnitt liegt grob zwischen 31-36 Jahre, Bildung und Einkommensniveau sind im Vergleich hoch. Laut Guardianüberschreiten die Digitalen Nomaden 2024 eine Zahl von 40 Millionen und bis 2030 könnte sie auf etwa 60 Millionen ansteigen.

 

Was sind beliebte Orte?

 

Gefragte Ziele sind u.a. südostasiatische Länder wie Thailand oder Indonesien, im europäischen Raum gelten Portugal und Spanien als Spitzenreiter. Aktueller Newcomer ist Costa Rica, was Mexiko den führenden Rang in Lateinamerika abnehmen könnte. Charakterisierend für die meisten Orte ist eine Mischung aus niedrigen Lebenshaltungskosten, zuverlässigem Internet und einer lebendigen Community. Viele Städte und Regierungen haben sich mittlerweile an die Bedürfnisse digitaler Nomaden angepasst und bieten maßgeschneiderte Visa, beziehungsweise fördern eine Kultur und Infrastruktur, die Zusammenarbeit und interkulturellen Austausch entstehen lässt. Aktuell bieten 50 Länder (Stand Februar 2024) spezielle Visa für digitale Nomaden an, typischerweise reichen sie von wenigen Monaten bis weit über eine Aufenthaltsdauer von einem Jahr. Kürzlich hinzugekommen sind Kroatien, Spanien (Tarifa) und Kolumbien (Bogotá).

 

Warum ?

 

Im Mittelpunkt steht die Erfahrung, ungebunden zu reisen, zu arbeiten und die Möglichkeit des Netzwerkens. Soziale Kontakte vor Ort können durch social Media und entsprechende Communities schnell aufgebaut werden und werden durch Modelle von Co-Working und Co-Living aktiv gefördert. Auch Airbnb bietet eine Möglichkeit, die Wahl der Unterkunft den Bedürfnissen anzupassen und den Tagesablauf freier und inspirierender zu gestalten. Internetzugang, Lebensqualität und ein geeigneter Arbeitsplatz bleiben die entscheidenden Suchkriterien.

 

Welche Herausforderungen gibt es?

 

Digitales Nomadentum kann die Work-Life-Balance nicht nur erleichtern, sondern auch erschweren, indem unter anderem die Unterkunftssuche und der unstete Alltag anstrengend sein können, die Gefahr von sozialer Isolation und Einsamkeit besteht gerade bei Alleinreisenden. Da noch nicht alle Länder dem Trend offen gegenüberstehen und nicht alle Nationalitäten vor Ort gleichbehandelt werden, sind Komplikationen wie Visabeschränkungen, Steuerunklarheiten oder administrative Hürden gängig.

 

Haben sie Einfluss vor Ort?

 

Der Einfluss auf lokale Gemeinschaften und Wirtschaften kann sowohl gering als auch tiefgreifend und komplex sein. Einerseits kann die Anwesenheit beispielsweise zu einer direkten wirtschaftlichen Belebung durch Ausgaben für Wohnraum, Arbeitsplatz und Lebenshaltungskosten führen. Gleichzeitig können sie aber den kulturellen Austausch und Interaktion fördern und so Gemeinschaften vor Ort mit globalen Netzwerken, Produkten und Mentalitäten verbinden.

Andererseits kann der Zustrom in bestimmte Destinationen, insbesondere in Nomaden-Hotspots, auch zu einer Erhöhung der Mietpreise und Lebenshaltungskosten vor Ort führen, was besonders in ärmeren Ländern gravierende Konsequenzen haben kann. Kulturelle Sensibilität und Respekt von Seiten der Nomaden ist teilweise wenig bis nicht vorhanden, resultierende Spannungen und Ablehnung werden bislang kaum öffentlich thematisiert.

 

Das sogenannte Digitale Nomadentum hat zwar wenig mit traditionellem Nomadentum zu tun, fasst aber die neuen Möglichkeiten rund um mehr Freiheit und Flexibilität im Arbeitsleben treffend zusammen. Welche transformierende Wirkung es zukünftig auf das Reiseverhalten, die Entwicklung lokaler Kulturen und die Verschmelzung von Reise, Arbeit und Alltag hat, bleibt mit einem Fragezeichen versehen.


Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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