Reportage

StädteZwischen Alltagsausbruch und inspirierender Reiseerfahrung: U-Bahn Kunst

Solna Centrum Station, Stockholm, Schweden ©shutterstock.com/Danita Delimont

Wie weltweit Metro-Stationen mit kreativen Meisterwerken den urbanen Raum neu definieren und den Alltagstransport in ein inspirierendes Erlebnis verwandeln: Dabei zeigen Bahnhöfe wie Stockholms Solna Centrum oder Neapels Toledo einzigartige Fusionen aus Funktionalität und Ästhetik.

 

Pendeln, der alltägliche Weg durch den städtischen Nahverkehr, zählt meistens nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen des Tages. Eintönigkeit, Trott und Farblosigkeit ist, was man gemeinhin mit U-Bahnfahrten assoziiert. Doch es gibt glücklicherweise Orte, die mit dieser trockenen Routine brechen und schon in kurzen Fahrten Inspiration, Überraschung und Perspektivwechsel ermöglichen. Metro-Kunst, die Symbiose von Mobilität und Kreativität im öffentlichen Raum, ist eine Form, die solche Orte entstehen lässt. Quer über den Globus verteilt, führen Rolltreppen und Aufzüge in Welten voller architektonischer und künstlerischer Meisterwerke. Ob von prächtigen Schächten in Moskau bis zu atemberaubenden Stationen in Neapel: Diese 5 charakteristischen Stationen führen durch unterirdische Farbwelten, spiegeln gesellschaftliche Diskurse wider und ermöglichen nicht zuletzt eine kurze Auszeit.

 

1) Solna Centrum Station, Stockholm, Schweden

 

Dramatisches Rot und leuchtendes Grün, satter Wald und das Spiel der untergehenden Sonne: Die eindrucksvolle Solna Centrum Station in Schwedens Hauptstadt wurde 1975 eröffnet und legt den Schwerpunkt auf die Thematisierung von gesellschaftlichen Fragen und kritischen Umweltthemen. Abholzung, Landflucht, politische Verantwortung und Nachhaltigkeits-Bewusstsein: Das markante Design spiegelt noch die intensiven Debatten und politischen Bewegungen der 70er Jahre wider und ist gleichzeitig aktueller denn je. Leitende Künstler waren Karl-Olov Björk und Anders Åberg.

 

2) Toledo Station, Neapel, Italien

 

Mit beeindruckten Gesichtern sieht man Besucher*innen aus aller Welt die preisgekrönte Station Toledo im Zentrum von Neapel verlassen. Sie atmen frische Luft, tauchen auf aus dem Meeresrausch, der hier 2012 erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Wasser und Licht, die Magie des Ozeans einfangen und in den Alltag zaubern – das war die Vision des spanischen Architekten Oscar Tusquets Blanca, der die Station im Rahmen des Kunstprojektes Stazione dell‘Arte entworfen hat. Es ist ihm gelungen, die eingesetzte Lichtkunst in Kombination mit scheinbar unendlich vielen azurblauen Fliesen, Naturstein und Glas hat einen Raum von ästhetischer Schönheit und Beruhigung erschaffen.

 

3) Arts et Métiers Station in Paris, Frankreich

 

„Kapitän Nemo, volle Kraft voraus!“ Kupferplatten und Bullaugen kleiden die Arts et Métiers-Station aus, futuristisch und gleichzeitig nostalgisch bietet sie einen surrealen Kontrast zum geschäftigen Pariser Alltag. Man könnte sagen: Steampunk im öffentlichen Raum. Dargestellt, beziehungsweise imitiert wird das ikonische Unterseeboot Nautilus aus Jules Vernes Roman 20.000 Meilen unter dem Meer aus dem Jahr 1869. Die Umsetzung wurde von dem belgischen Künstler François Schuiten geleitet und 1994 fertiggestellt.

 

4) Aviamotornaya Station, Moskau, Russland

 

Ingenieurswesen und Luftfahrttechnik sind die tragenden Motive des frequentierten Knotenpunkts Aviamotornaya im Südosten von Moskau. Die Bezeichnung Aviamotornaya ist vom russischen Wort Aviamotor abgeleitet und verweist auf die geografische Nähe der U-Bahn-Station zu den zentralen Anlagen der Moskauer Luftfahrtindustrie. 1979 eröffnet, ist die klare und funktionale Ästhetik typisch für die damalige Sowjet-Architektur, die pompöse Ausgestaltung mit schimmernden Goldelemente an der Decke wiederum nicht untypisch für das U-Bahn-Netz der Hauptstadt. Und dennoch: Beeindruckend. Entworfen wurde sie von vier russischen Künstlern, die mit zeitlosen und edlen Materialien wie Metall, Granit und hellem Marmor arbeiteten. Formdominant sind grobe Pyramiden und die Decke überziehende Tetraeder, die fliegende Teppiche symbolisieren. n.

 

5) Olaias Station, Lissabon, Portugal

 

1998 wurde Olaias im Rahmen der Expo’98 Metro Erweiterung eröffnet, ist mittlerweile preisgekrönt und hat sie sich zu einer eigenständigen Attraktion Lissabons entwickelt. Das knallige, moderne Design von Architekt Tomás Taveira spielt mit intensiven Farben und klaren geometrischen Formen. Stark, wild, innovativ und industriell – so zieht die inspirierende Entdeckungsreise in den Untergrund besonders Kunst- und Designfans an. Gearbeitet wurde primär mit Glas, Plastik, Metall und vielen bunten Elementen, wobei es gelungen ist, damit auch die Weltoffenheit, Lebensfreude und den Stolz der Lissabonner Bevölkerung zu transportieren.

 

Die Pariser U-Bahn wird täglich von fast 5 Mio. Menschen genutzt, in Berlin sind es schätzungsweise 1.3 Mio., in New York rund 2.3 Mio.. Jedes Streckennetz hat seine eigenen Schätze in Form verschiedener Arten von Metro-Kunst, sie erzählt über kulturelle Errungenschaften, spiegelt gesellschaftliche Trends wider, zeigt den Schrecken vergangener Kriege und blickt positiv in die Zukunft. Erst im September 2023 startete in München das Projekt Kunstkioske, bei dem leerstehende Kioske in der bayerischen Landeshauptstadt mit unterschiedlichen Kunstprojekten wiederbelebt wurden. Die Initiative schenkt nicht nur Künstler*innen einen Raum, sondern führt zur Wertschätzung von Orten, die sonst im Untergrund verschwinden würden.

 

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

Nach oben