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Ostbahnhof (Gare do Oriente), Lissabon ©Monica Gumm

Rationale Argumente, äußere Umstände und gesellschaftliche Umbrüche haben das Reisen mit dem Zug in den öffentlichen Diskurs bewegt. Daneben gibt es Gründe für eine Bahnfahrt, die im Erleben selbst liegen. Zusammen könnten sie peu à peu dazu führen, Lüfte zu beruhigen und Reisen zu revolutionieren.

 

11 Charakteristika

Kosten: Ein rationales, aber wichtiges Argument. Zugreisen sind für viele Geldbeutel erschwinglich und lassen kurzfristige (Um-) Entscheidungen zu. Insbesondere, wenn zumindest 2-3 Wochen im Vorhinein gebucht wird, sind die Kosten im allgemeinen gering. Langfristig lohnt es sich im deutschsprachigen Raum über Vorteilskarten nachzudenken und individuell zu bilanzieren.

Gepäck: „Welche Maße hat mein Koffer?“, „Zählt das noch als Handgepäck?“, „Wie viele Milliliter darf ich mitnehmen?“. Fragen, die sich Zugreisende nicht stellen müssen. Bezüglich Anzahl, Inhalt und Maße ist man im Zug flexibel und hat lediglich die Aufgabe genug Stauraum zu finden – in angebrachter Rücksicht auf Mitfahrende.

Uhrzeit: Das Angebot der Bahnunternehmen kennzeichnet sich mittlerweile durch eine hohe Frequentierung und ein around the clock Angebot. Nachtzüge gewinnen an Popularität.

 

“So all I ask is for you, To come away with me in the night” (Nora Jones)

 

Raum: Die Bequemlichkeit von Zugsitzen, Flugsitzen pauschal gegenüberzustellen, gestaltet sich schwierig. Das schlagende Argument der Bahn liegt darin, grundsätzlich der Enge entfliehen zu können. Es gibt die Möglichkeit, sich die Beine zu vertreten. Für Marathonstrecken mag es nicht reichen, doch manchmal genügt es die Gänge auf- und abzulaufen, ein kurzes Dehnen und in den Verbindungsgliedern stehend den Blick aus dem Fenster schweifen zu lassen.

Verpflegung: Simple but good, man kann sein eigenes Essen und Trinken mitnehmen. Den Tumbler, frisch geschnittenes Gemüse oder die Reste des Abendessens. In 4er Abteilen kann man nicht selten Picknick-Szenen beobachten.

Connection: Arbeiten, Emails schreiben, Filme ansehen, Hörbücher hören. Die Internetverbindung muss nicht gekappt werden, das Nutzen elektronischer Geräte ist potentiell möglich. Viele Zuggesellschaften haben mittlerweile ein eigenes WLAN (an manchen Stellen gewiss noch ausbaufähig).

Slow Travel„Rein in die Maschine“ und wenige Stunden später in London, Rom oder Barcelona sein. Vielleicht werden Stunden oder Minuten gewonnen, was aber verloren geht: Das Gefühl für ein Land oder eine Region und zurückgelegte Kilometer. Bahnfahrten vermitteln ein ehrlicheres Gefühl, was eine Reise eigentlich ist. Ermöglichen darin innere Einstimmung oder auch langsames Abschiednehmen.

 

„It takes a lot to laugh, it takes a train to cry” (Bob Dylan)

 

Stress: Obwohl auch die Fahrt mit der Bahn hektisch und überfüllt sein kann, nehmen Viele den Stress einer Flugreise anders wahr. Die Anreise, Gepäckaufgabe, das Anstehen in den Sicherheitskontrollen, die Wartezeit vor Abflug. Mit Sitzplatzreservierung und Vorbereitung ist der Zug auch in crowdigen Zeiten etwas entspannter für das Gemüt.

Gemeinschaft: Gerade mit Freunden, der Familie oder Fremden kann Zugfahrt Gemeinschaftserleben werden. Spiele spielen, sich gegenübersitzen, Sitzplatzwechsel für die Abwechslung und Entdeckungsraum für Kinder.

Nachhaltigkeit: Sicherlich eines der derzeit wichtigsten Argumente. Der Umstieg auf Zugreisen zeigt eine wesentlich positivere CO2 Bilanz als Flug- oder Autoreisen.

Orte: Kleinere und unbekannte Regionen und Destinationen erleben. Natürlich werden mittlerweile auch von Airlines Häfen abseits des Reisemainstreams angeflogen. Ein Blick auf Europas Schienennetz lässt dagegen bilanzieren: Mit der nötigen Zeit und Geduld kann in die entlegensten Ecken gereist werden. Sich treiben lassen, von Bahnhof zu Bahnhof hangeln, dem eigenen Reisetypus entsprechen. 

 

“Where to, where do I go? If you never try, then you'll never know” (Coldplay)

 

Nicht jeder Ort ist über den Schienenweg zu erreichen, nicht jede Zugreise ist eine Offenbarung. Doch eine Veränderung des eigenen Verhaltens kann inspirieren, neue Möglichkeiten erkennen lassen und den Raum für unentdeckte Vorlieben öffnen.

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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