NachhaltigkeitEine neue Debatte: Massen-, Over- und Posttourismus

Overcrowding: Dicht an dicht gedrängt ©Lichtwolke/Shutterstock

Wie wird die Zukunft des Reisens aussehen? Sind wir in einer Zeit des sogenannten Posttourismus angekommen? Fragen, die sich jetzt gerade viele stellen. Fragen, die vermehrt öffentlich diskutiert werden. Denn Nachhaltigkeit, der Schutz von Kulturen, Natur und Städten wird in Anbetracht globaler Zerstörung ein immer wichtigeres Thema.

Overtourism - ein Symptom unserer Zeit

Jeder und Jede kennt Bilder von überfüllten Städten, Menschenmassen drängen sich durch die Straßen. Die Kanäle der einst so zauberhaften Stadt Venedig sind verdreckt, Kreuzfahrtschiffe reihen sich dicht an dicht in den Häfen. Venedig muss sich bereits seit Jahren damit auseinandersetzen, wie mit den Anstürmen an Tagestouristen umgegangen werden kann. Wie die Verdrängung der einheimischen Bevölkerung gestoppt und die Stadt nicht nur zu einer reinen Attraktion degradiert wird. Die Corona-Pandemie hat eine beispiellose Pause in unserem Reisverhalten erzwungen. Nehmen wir diese Pause als Chance zur Reflektion und des Umdenkens? Oder wollen wir zurück?

Overtourism ist ein Phänomen, das „einfach“ einen Zustand beschreibt, bei dem zu viele Menschen, zur selben Zeit, am selben Ort Urlaub machen. Ein Resultat des Massentourismus. Kritik daran ist nicht neu, sondern liegt in dessen Wiege. Doch neu ist das Ausmaß der desaströsen Folgen. Zwei populäre Beispiele: Dubrovnik, eine idyllische kroatische Stadt an der Adria. Und Drehort der weltweit bekannten Serie Game of Thrones. Sie musste fast über Nacht mit Horden an Fremdenverkehrlern umgehen. Maya bay – eine thailändische Insel bekannt aus dem Film The Beach mit Leonardo die Caprio aus dem Jahr 2000 wurde so überrannt und in Folge zerstört, dass sie nun auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt. Verbunden mit der Hoffnung, das Ökosystem kann sich regenieren.Im europäischen Raum haben insbesondere Barcelona, Venedig und Amsterdam damit zu kämpfen. Doch die Anzahl an Städten und Regionen wächst stetig. Die Überforderung mit Touristenmassen ist kein Problem mehr von einzelnen, beliebten Ferienorten.

Die Gründe für Overtourism sind mannigfaltig und komplex. Flüge werden immer günstiger. Stichwort Billig-Airlines. Zunehmend werden kleinere Destinationen angeflogen. Grundsätzlich reisen ­viel mehr Menschen und das häufiger – ein spontanes Wochenende in Mailand. Ein Kurztrip nach Berlin. Ein weiterer Faktor sind Angebote wie Airbnb. Diese, in ihren Ursprüngen kreative Idee, hat sich in Touristen-hot-spots auch zu einem Fluch für Einheimische entwickelt.

Die Folgen für die lokale Bevölkerung sind verheerend. Die Mieten schnellen durch die Zurverfügungstellung der Privatunterkünfte in die Höhe. Die Feinstaubbelastung nimmt durch die hohe Frequenz der Flieger zu, die Verwaltungen kämpfen mit Müllmengen. Öffentliche Räume können nicht mehr für die eigene Erholung genutzt werden, der Nahverkehr ist überlastet – insbesondere eine zusätzliche Belastung für Berufspendler.


Ein Dilemma

Urlaub und Auszeit haben nachgewiesener Weise einen nachhaltigen Effekt auf unser Wohlbefinden. Reisen soll für alle leistbar sein und nicht zu einem Luxus-Gut verkommen. Das Kennenlernen anderer Nationen und Gesellschaften stärkt unser interkulturelles Verständnis. Reisen macht Globalität erlebbar.

Es gibt keine einfache Lösung. Nachhaltigkeit darf jedoch keine leere Hülle bleiben und Reisen sollte auch nicht pauschal verdammt werden. Es geht um eine gesellschaftliche Debatte, um neue und kreative Möglichkeiten, um ein Hinterfragen des Wachstumsdenkens. Wir brauchen neue Ideen. Eine davon ist das Erleben von sogenannten Mikro-Abenteuern. Ein Begriff, geprägt durch den britischen Schriftsteller und leidenschaftlichen Abenteurer Alastair Humphrey. Die Idee dahinter ist so simpel wie genial. Keine langen Distanzen, keine hohen Ausgaben, keine komplizierte Organisation und dabei: Erfrischend, Aufregend, mind-opening, erholsam, Auszeit. Micro adventures sind konzeptlos, individuell interpretierbar. Es geht um den Gedanken und der verdient Aufmerksamkeit.


Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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