Reportage

NachhaltigkeitFast Fashion

AktivistInnen von extinction rebellion (UK) ©shutterstock.com/swampy167

Wir leben im Zeitalter von Fast Fashion. Ein normales Kleidungsstück in deutschen Läden hat bereits eine halbe Erdumrundung hinter sich, knapp 20.000 km. Es handelt sich um ein kritisches Geschäftsmodell, das sich einerseits durch Schnelligkeit und Wechsel, andererseits durch verheerende globale Folgen „auszeichnet“. Seit Jahren versuchen AktivistInnen und WissenschaftlerInnen weltweit auf die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen des Trends aufmerksam zu machen.

Nachhaltiges Bewusstsein und globale Gerechtigkeit sind Thematiken, die in den letzten Jahrzehnten bei Menschen auf der ganzen Welt ein Umdenken in Gang gesetzt haben. Mittlerweile wird beim Lebensmittelkonsum in mitteleuropäischen Staaten zusehends darauf geachtet, bioregional, fair-trade und ökologisch nachhaltig zu kaufen. Plattformen wie rebuy setzen durch aufgefrischte Gebrauchsware ein Zeichen gegen Elektroschrott und Produktionsmaschinerie. Secondhand-Kleidung wird populärer, nachhaltig und fair produzierte Mode langsam erschwinglich. Doch die steigende Nachfrage nach lukrativen Fast Fashion Produkten stemmt sich vehement gegen einen positiven Trend.

Das Phänomen Fast Fashion

Bereits seit den 1990er Jahren wird der Terminus in einschlägigen Kreisen verwendet, ein breiter Boom ist in etwa seit der Jahrtausendwende erkennbar. Fast Fashion Bekleidung ist trendbezogen, saisonal und rasend schnell: Bis zu 24 Kollektionen werden pro Jahr angeboten. Die globale Textilproduktion hat sich von 2000 bis 2016 verdoppelt. Produziert wird mit niedrigsten Kosten, verkauft zu niedrigsten Preisen. Die Qualität: Minderwertig. Der Endverbrauchernutzen: Gering. Der durchschnittliche Lebenszyklus eines Kleidungsstücks ist mit dem einer Eintagsfliege vergleichbar. In Deutschland werden pro Kopf 60 Teile pro Jahr gekauft, 40% davon nie getragen.

Ökonomisches Kennzeichen ist eine extrem niedrige sogenannte time-to-market Spanne. Dadurch wird die Zeit zwischen dem ersten Designentwurf und dem Erscheinen in den Läden beschrieben. Bei konventioneller Mode beträgt dies mehrere Monate, bei Fast Fashion lediglich wenige Wochen. Fast Fashion erlaubt es, sich in Windeseile aktuellen Modetrends anzupassen. Gerade in Zeiten von aufstrebendem Bloggertum und Social Media, gilt es aus Unternehmenssicht sofort zu reagieren, wenn neue Trends gesichtet werden.

Fasern der Wahl sind Polyester und Baumwolle: Einerseits eine feine wie leichte Chemiefaser, deren Herstellung Erdöl und Erdgas benötigt. Andererseits eine Naturfaser, deren Anbau Tonnen von Wasser verschlingt. Laut eines Greenpeace Reports werden für ein konventionell gefertigtes Bauwollshirt 2.700 Liter Wasser verbraucht. Alarmierende Zeichen davon bleiben nicht aus: Der viertgrößte Binnensee der Erde, der Aralsee in Zentralasien, hat durch die Bewässerung umherliegender Baumwollfelder 90% seines Volumens verloren.

Produziert wird in sogenannten Niedriglohnländern, beziehungsweise Ländern, in denen das Pro-Kopf Einkommen der TextilarbeiterInnen deutlich unter dem Durchschnitt liegt. In der Bekleidungsindustrie zählen dazu u.a. China, Pakistan, die Türkei, Indonesien, Myanmar, Indien und Bangladesch. Produktions- und Lieferketten mangelt es an Transparenz, was ein gezieltes Eingreifen erheblich erschwert. Zudem sind einwirkende Faktoren wie Politik und Kultur äußerst komplex. Denn am Wissen liegt es nicht. Ausbeutung, Kinderarbeit und unsägliche Arbeitsbedingungen sind im fernen Bewusstsein der Gesellschaft.

Die Gewinner des Massenmarkt sind große Marken wie H&M, Zara, C&A und P&C, sowie die Onlinemarken ASOS, SHEIN oder Bohoo. Letztere werden mittlerweile sogar als Ultra-Fast-Fashion Anbieter bezeichnet: Hose, Kleider und Schuhe werden schon vor der eigentlichen Produktion verkauft.

Die Folgen

Desaströs ist das Wort der Stunde. Es ist kaum aufzuzählen, wie breit die Konsequenzen für Mensch, Natur und Wirtschaftssysteme sind. Fremde Kulturen, Millionen von Menschen und Ressourcen werden förmlich ausgesaugt. Zwang, Repression und gewaltsames Handeln sind alltäglich. Fast Fashion macht dabei in trauriger Weise auf das Fehlen von globaler Gerechtigkeit aufmerksam.

Weltweite Aufmerksamkeit erregte der Fall Rana Plaza. Am 13. April 2013 stürzte das Gebäude einer Textilfabrik in Bangladesch in Sabhar (nahe Dhaka) ein. 1135 Menschen starben, 2438 wurden verletzt. Ein „Unfall“ der auf massive Sicherheitslücken und fahrlässiges Handeln der verantwortlichen Firmen zurückzuführen ist. Rana Plaza erzeugte innerhalb und außerhalb des Landes Entsetzen und Protest. Mittlerweile ist es wieder still geworden

Doch es wird nicht nur genommen. Das was an die Erde zurückgegeben, ausgestoßen und abgelagert wird, ist nicht minder besorgniserregend. Deutlich über 850 Mio. Tonnen CO2Emissionen werden durch Herstellung, Transport, Gebrauch und der Verbrennung verschleißter Kleidung jährlich in die Lüfte geschleudert. 20% der chemischen Färbungsstoffe werden in die lokale Kanalisation und die Gewässer der produzierenden Staaten geleitet. Die Umwelt wird vergiftet, der Mensch wird vergiftet.

Weltweit entstehen riesige Mülldeponien aus gebrauchter Textilware, wohlhabende Staaten verschiffen den Ballast aus dem eigenen Blickwinkel. Denn sichtbar ist es: Die Atacamawüste in Chile verwandelt sich in einen Abfalleimer, Dreck der nachweislich aus Europa stammt. Die gesundheitlichen Folgen für AnwohnerInnen noch beiseite gelassen.

 

Es wäre zu einfach, die Verantwortung für den Kleidungskonsum rein im Profitstreben großer Labels zu suchen. Es müssen Wege gefunden und Wege gegangen werden. Wie auch in der Ernährungsfrage sind es Lernprozesse, die Zeit benötigen. Und einfach ist es nicht. Kleidung wird nun einmal benötigt.

 

Autorin: Lea Katharina Nagel 

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