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WeltweitAstrotourismus

Ein Blick in die volle Pracht des nächtlichen Firmaments ©shutterstock.com/Jouni_Philman

Schon immer war das Sternenlicht für die Menschheit eine Quelle der Inspiration. Es ist zu einem seltenen Privileg geworden, den klaren Nachthimmel in all seiner Pracht zu sehen. Dem entgegen stellt sich nachhaltiger Astrotourismus, der es Jeder und Jedem ermöglicht, der Sehnsucht nach der Unendlichkeit zu folgen.

 

Leuchtende Megastädte, Industrieplantagen und zunehmendes Bevölkerungswachstum haben im letzten Jahrhundert zu einer starken Aufhellung der Erde geführt. Nachtschwärze, das Gefühl von den Sternen in den Himmel gesogen zu werden, ja, sogar die Milchstraße mit eigenen Augen zu sehen, ist zu etwas Exotischem geworden. Dabei fällt auf, dass in ländlichen Regionen die Sterne viel klarer zu sehen sind als in der Stadt. Nachvollziehbar, denn Scheinwerferlicht, Straßenlaternen und Leuchtreklamen führen dazu, dass es in den dicht bevölkerten Regionen der Erde nicht mehr richtig dunkel wird. Mittlerweile ist der Begriff der Lichtverschmutzung, die künstliche Aufhellung der Nacht, ein geflügeltes Wort. Wir sehen zwar Sterne, aber nur die, die am hellsten leuchten. So schätz man, dass in Europa bereits 99% der Menschen unter einem zumindest leicht lichtverschmutzten Himmel leben – global geht man von rund 80% aus. Die Zahlen steigen, so wie der urbane Raum und die damit verbundenen künstlichen Lichtquellen zunehmen. Die überwiegend negativen Auswirkungen dieser Entwicklung auf Mensch, Tier und Umwelt werden in zunehmend wissenschaftlich untersucht. Denn die einhergehende Störung des menschlichen Melatonin-Haushalts wirkt sich auf unseren Tag- und Nachtrhythmus aus, die Schlaf- und Wachphasen geraten durcheinander. Auch die Tierwelt ist in gigantischem Ausmaß von dieser Problematik betroffen: Kleine Meeresschildkröten, die sich auf der Suche nach dem Meer am Mondschein orientieren, werden von Straßenlaternen irritiert und laufen in die falsche Richtung. Auch nachtaktive Vögel und Insekten verenden zu Milliarden direkt oder indirekt durch die Vielzahl künstlicher Lichtquellen.

Für unsere Augen ist es eine seltene Freiheit geworden, die Milchstraße zu sehen - doch was sich aus diesem Problem heraus entwickelt hat, ist nachhaltiger Umweltschutz und Vergnügen in einem. Der Astrotourismus, die bewusste Reise an einen besonders exponierten Ort, um nachts einen klaren Sternenhimmel zu sehen, erfreut sich immer größerer Beliebtheit.

 

Eines der ältesten Beispiele für diesen vergleichsweise jungen Tourismuszweig, ist der Teide National Park auf der kanarischen Insel Teneriffa. Durch die Wirkung der Passatwinde sind die Kanaren grundsätzlich mit mehr Himmelsklarheit gesegnet und so ein beliebter Spot für Sternenbegeisterte - doch natürlich lebt auch hier der Mensch und damit das künstliche Licht. Auf Teneriffa hat man historisch bedingt schon besonders früh ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie schädlich und störend künstliche Beleuchtung und elektromagnetische Strahlung sein können. Seit dem 1. Weltkrieg ist die spanische Insel aufgrund ihrer isolierten Lage und guten Luftqualität ein wichtiges Forschungsgebiet der Astronomie, 1964 wurde hier auf 2400m das Teide-Observatorium eröffnet, das einige Jahrzehnte später für ein revolutionäres Gesetz sorgte: Um in Anbetracht zunehmender Besiedelung optimale Sichtbedingungen zu gewährleisten, wurde 1988 das Ley de Cielo, das Himmelsgesetz, verabschiedet. Dieses Gesetz verbietet Industrie, elektromagnetische Strahlung und künstliches Licht oberhalb von 1500m, auch Flugrouten werden streng überwacht. Rund um die darüber liegende bergige Gipfelregion des Pico del Teide schieben die Winde die Passatwolken. Dort stauen sie sich. Dieser natürliche Prozess wirkt sich wie ein Riegel zwischen Himmelreich und den unteren verschmutzten Luftschichten der belebten Küstenregionen aus. Dank des Ley des Cielo wird die Nachtschwärze so gewissermaßen konserviert.

Als einer der ersten Orte weltweit wurde der Teide Nationalpark von der UNESCO als Starlight Tourist Destination, einem Lichtschutzgebiet, ausgezeichnet, gleichzeitig zertifizierte man das beeindruckende vulkanische Gebiet als Weltnaturerbe. Heute hat sich hier ein Vorzeigeort für Astrotourismus etabliert, denn man hat nicht nur die Möglichkeit Wissenschatler:innen über die Schulter zu gucken, sondern auch an nächtlichen Astro-Touren teilzunehmen und einmalige Stern-Erlebnisse wie „Dinner mit Planetenschau“ zu buchen.

 

Mittlerweile haben sich weltweit solche Orte etabliert. In Deutschland sind unter anderem der Naturpark Westhavelland, der Nationalpark Eifel und der Sternenpark Rhön als International Dark Sky Destinations ausgezeichnet. Die dahinterstehende Initiative Dark Sky Places/Association (gegründet 2001) würdigt Orte, die sich aktiv gegen Lichtverschmutzung engagieren und Inseln der Dunkelheit schaffen. Die Auszeichnung soll Gemeinden, Schutzgebiete und Parks dazu ermutigen, verantwortungsvolle Beleuchtungsrichtlinien zu setzen und für Aufklärung in diesem Bereich zu sorgen. Die Website https://www.darksky.org/ bietet eine Weltkarte mit allen ausgezeichneten Plätzen.

Es ist eine wunderbare Möglichkeit, um in Nähe und Ferne nach dunklen Inspirationsorten zu suchen und so selbst Astrotourist:in zu werden.

 

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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