PortraitSebastião Salgado: Dorthin blicken, wo es weh tut

Goldmine Serra Pelada ("Gold") © Sebastião Salgado

Sebastião Salgado ist ein Ausnahmekünstler, bekannt durch seine anspruchsvollen und aktivistischen Schwarz-Weiß Fotografien. Die Arbeit in brasilianischen Goldminen, die Hungerkatastrophe in der Sahel Zone, der Genozid in Ruanda. Salgado sieht hin – konfrontiert sich und die Welt mit schmerzlichsten Wunden der Realität. Sein letztes Projekt Genesis ist eine Liebeserklärung an den Planeten.

 

Sebastião Ribeiro Salgado wurde am 22. Februar 1944 in Brasilien geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, arbeitet für die Internationale Kaffeeorganisation (ICO). 1967 heiratete er die Pianistin Lélia Deluiz Wanick. Arbeitsbezogene Reisen führten ihn nach Afrika, dort begann seine Geschichte mit der Fotografie, erste Aufnahmen entstanden durch die Leica seiner Ehefrau.

Aufmerksamkeit erlangte er erstmalig 1973 mit einer Reportage über die Dürre in der 7 Länder durchquerenden Sahel-Zone. 1974 machte er sich als Fotograf selbstständig, im gleichen Jahr kam sein erster Sohn Juliano auf die Welt. Er bereiste Europa, West & Südostafrika. In den 80er Jahren dokumentierte er in Zusammenarbeit mit Ärzte ohne Grenzen eine erneute Hungerkatastrophe in der Sahel-Zone. 1981 wurde sein zweiter Sohn Rodrigo geboren. Das Down-Syndrom des Jungen stellte eine Herausforderung wie Bereicherung für die gesamte Familie dar.

International eingeschlagen sind seine im Jahr 1986 aufgenommenen Bilder über freiwillig arbeitende Goldschürfer in den Minen von Serra Pelada (Brasilien). Sie werden häufig als Dokumentation eines "invertierten Turmbaus zu Babel" bezeichnet. Massen an Menschen arbeiteten unter unvorstellbaren, anachronistischen Bedingungen. Zusammengefasst in dem Reportageband Gold. 

1991 wird er von der New York Times in Kuweit engagiert: Er hält die von Saddam Hussein in Brand gesteckten Ölquellen und darauf folgende Löscharbeiten fest.

 

Ruanda, 1994

Sebastião geht mit seiner Kamera dorthin, wo es weh tut. Einen persönlichen Wendepunkt markiert sein Schaffen im 1994 begonnenen Bürgerkrieg Ruandas:

Der Mord am ruandischen Präsidenten entlädt 1994 einen Blutrausch zwischen den sog. Hutu und Tutsi Rebellen. Männer, Frauen, Kinder sind zwischen ihren Fronten. Innerhalb weniger Wochen fallen 800.000 Menschen den Massakern zum Opfer. Es handelt sich um einen der größten Genozide der Menschheitsgeschichte. Die Weltöffentlichkeit, Regierungen, internationale Organisationen wussten was vor sich ging und: Sahen weg. Salgado tat dies nicht. Er wollte Belege für die Verbrechen an der Menschlichkeit. Forderte sich, ging über eigene Grenzen.

Anschließend marschierte er in der aus den Grausamkeiten entstandenen Flüchtlingswelle mit, erlebte wie Hunger und Cholera Menschen wie Fliegen sterben ließen. Sah, roch, fühlte Tod – über Wochen.

Diese Erlebnisse desillusionieren und erschüttern den Fotografen wie kein Projekt zuvor:

 

„Ich habe an nichts geglaubt. Ich habe nicht an die Erlösung der Menschheit geglaubt. Ich hatte so viel Brutalität gesehen. Ich habe in nichts mehr vertraut. Ich fühlte einfach, dass wir Menschen schreckliche Tiere sind.“ (aus dem Englischen) Sebastião Salgado

 

Der Bürgerkrieg in Ruanda prägte seine zukünftige Fotografie nachhaltig und umfangreich. Körperlich und physisch hatten sie ihn erkranken lassen. Bis Anfang der 2000er begleitete er weiterhin Flüchtlingsströme (Werk Migration, 2000). Natur und Ursprünglichkeit lösten jedoch mehr und mehr seine Sozialfotografie ab.

 

Die Heilung

Von 2004- 2013, ganze 9 Jahre, widmete er sich dem Großprojekt Genesis. Genesis zeigt unberührte Natur und Völker in all ihrer Rein- und Schönheit. Die Bildwerke wirken wie eine Heilung seiner Seele: Sie sind friedlich, andächtig, eine Liebeserklärung an unseren Planeten.

Der deutsche Regisseur Wim Wenders begleitet Salgado auf Etappen dieser Reise. Der daraus entstandene Film, „Das Salz der Erde“ (Wim Wenders, 2014), ist intim, fesselnd, wurde für den Oscar nominiert, gewann mehrfach in Cannes. Ein nicht immer leicht verdauliches Portrait, so beleuchtet er auch die früheren Arbeiten.

Sebastião Salgado lebt heute mit seiner Frau Lélia in Paris. Bereits 1998 gründeten sie das Instituto Terra, ein Aufforstungsprojekt in seiner brasilianischen Heimat. Fast 3 Mio. Bäume wurden seit Beginn gepflanzt, die erschöpfte Region strahlt wieder grün, lebt und atmet. Damit gelang es dem Ehepaar ein einzigartiges Zeichen der Hoffnung zu setzen.

Salgado engagiert sich weiterhin aktiv in verschiedenen Bereichen – sein Fokus liegt auf dem Umweltschutz. Die unglaubliche Kraft seines Glaubens inspiriert, macht Mut und berührt im Innersten.

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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