ReportageVilcabamba: Der Mythos rund um ein Dorf

Ein idyllisch, farbenfroher Ort Foto:Glenn R. Specht/shutterstock.com

Ein kleines Dorf im ecuadorianischen Süden. Menschen sollen hier 127 Jahre alt geworden sein. Was ist dran, an diesem mystischen Ort unerklärlicher Langlebigkeit?

 

 

 

Vilcambamba, ein kleines Tal in der Provinz Loja, ganz im Süden Ecuadors – gemeinhin bekannt als das Tal der Hundertjährigen. Rund 4.700 Menschen leben hier, ein idyllisches Hochtal inmitten der Anden. Auf den Straßen sieht man zudem ein paar hängengebliebene Ausländer, „Hippies“, vereinzelt Touristen & Tageswanderer.

Das Klima der Region ist ganzjährig mild, die Temperaturen bewegen sich zwischen 18 und 28°C.  Es ist ein fruchtbares, grünes Tal, tierreich und mit zahlreichen Wildblumen gesegnet. Die Umgebung verspricht wunderschöne Wanderungen und Ausflüge.

Der internationale Kultstatus Vilcabambas liegt mittlerweile wohl nur noch sekundär an der beeindruckenden Landschaft: Hier, so heißt es, werden die BewohnerInnen überdurchschnittlich alt, es gibt zahlreiche Fälle von 104, 106 oder auch 127 jährigen Menschen. Die Lebenserwartung gleiche einem Wunder. 

 

Vilca bamba bedeutet übersetzt »das heilige Tal«, entstanden als neuzeitliche Siedlung im 18. Jahrhundert.

 

Zahlreiche journalistische Berichte, wissenschaftliche Untersuchungen und nicht zuletzt ein erschienenes Buch (»Das Tal der Hunderjährigen: Eine Reise zum Ort der ewigen Jugend«, Ricardo Coler) verschafften dem romantischen Ort eine besondere Prominenz. Es heißt, die oft steinalten Einheimischen brauchen keine Brillen oder Hörgeräte. Sind erstaunlich gut zu Fuß und arbeiten freudvoll & vital bis sie "eines Tages ohne viel Leid sterben".

 

Suche nach der Zauberformel

Natürlich suchte man in der Vergangenheit intensiv nach dem einen Geheimnis, dem Lebenselixier Vilcabambas. Eine Geschichte, die an den Stein der Weisen aus J.K. Rowlings erstem Harry Potter- Band erinnert.

Die einen sprechen von der Kraft des Quellwassers, andere von der negativen Ionenladung der Luft, esoterische Strömungen vermuten hier das »Herz der Erde«. Wieder andere glauben an die vitalisierende Energie eines besonderen Lebensstils. Der sei geprägt von Fröhlichkeit, einer intensiven Verbindung mit der Natur, dem Selbsterzeugnis von Nahrungsmitteln, dem hohen Stellenwert von Zusammenhalt & Kooperation, sowie kaum Kriminalität, Lüge oder Betrug im Alltag.

Das alles klingt nach der ecuadorianischen Version von James Hiltons Shangri La: Ein paradiesischer Ort, voll von Frieden & natürlicher Weisheit.

Man stolpert aber auch immer wieder über wissenschaftliche Untersuchungen von Mazess/Mathisen aus dem Jahr 1982. Die beiden Forscher betrachteten, ob die Lebenserwartung in den Jahren 1907-1979 tatsächlich höher war als die eines durchschnittlichen US-Amerikaners. Die Ergebnisse waren unauffällig. Im Abgleich verschiedenster Dokumente offenbarte sich, dass manche BewohnerInnen es mit der Auskunft über ihr Alter nicht ganz genau genommen hatten. So wurden mal zwischen 9, 10 oder 20 Jahren "aufgeschlagen".

 

Die Realität

In den letzten Jahren boomte das Geschäft rund »Klein-Vilcabamba«.

Langlebigkeit – so zeigte sich - eignet sich hervorragend als Werbe- und Marketingmittel. Straßen des Ortes sind gesäumt mit Postern & Plakaten. Es gibt sogar eigenhändig gestopfte Zigaretten, die einem langen Leben nicht im Wege stehen sollen. Vilcabamba ist zu einer Marke geworden.

Ob das hohe Alter der Einwohner nun Realität oder Mythos ist. Unbestritten handelt es sich um ein zauberhaftes Örtchen inmitten einer traumhaften Gegend. Wobei dem Geschäft der Identität noch etwas Gutes abzugewinnen ist: Die älteren Menschen haben eine für sich sinnstiftende Tätigkeit gefunden, können sich mit diesem kreativen Modell etwas dazuverdienen.

»Wer keinen Sinn im Leben sieht, ist nicht nur unglücklich, sondern kaum lebensfähig« - Albert Einstein

Es bleibt nur zu hoffen, dass Touristen- und Journalistenströme kulturelle Authentizität nicht auslöschen und dem wirtschaftlichen Gedanken gänzlich das Feld überlassen.

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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