Fünf Tore öffnen den Weg nach Angkor Thom, der 9 km² großen Stadt Jayavarmans VII. (1181 bis ca. 1220) – mit vermutlich bis zu 1 Mio. Ew. größer als jede europäische Stadt vor 800 Jahren. Zum meist besuchten Südtor (2 km nördlich von Angkor Wat) führt eine Brücke, die beidseits von 54 Göttern und 54 Dämonen flankiert wird, jeweils mit einer Nagaschlange in den Armen beim „Quirlen des Milchmeeres“ (s. Angkor Wat). Auf dem Turm über dem Tor wachen vier monumentale Gesichter in jede Himmelsrichtung. Unübersehbar im Mittelpunkt der antiken Stadt erhebt sich auf drei ansteigenden Terrassen das buddhistische Heiligtum Bayon mit seinen einst 54 Türmen (37 noch erhalten) und rund 200 riesigen steinernen Gesichtern, die geheimnisvoll lächeln und keinen Besucher auch nur für einen Wimpernschlag aus ihren Augen zu lassen scheinen. Kein Wunder, denn sie stellen Lokeshvara (auch: Avalokiteshvara) dar: einen Bodhisattva, der laut Mahayana-Buddhismus gläubigen auf ihrem Weg ins Nirwana hilft, selbst aber auf die Erleuchtung als letzte Stufe verzichtet. Auf zwei Ebenen führen quadratische Galeriegänge um den Tempel mit beinahe lebendig wirkenden Reliefszenen aus dem Alltag Angkors: Schlachten und Märkte, Zirkus und Musikanten, Männer beim Hahnenkampf etc. Auf der dritten Ebene wird der zentrale Turm von einem labyrinthischen Wirrwarr aus Gängen umgeben, mit kleinen dunklen Kammern, in denen kahl geschorene, weiß gekleidete Frauen bzw. Nonnen bei der Andacht hocken und Räucherstäbchen glimmen. Die ruhigste Zeit ist hier sehr früh morgens zum Sonnenaufgang und dann wieder spätnachmittags ab 16/17 Uhr, ideal zum Fotografieren ist eher die restliche Zeit. Ein angenehmer, teils schattiger Spaziergang bringt dich vom Bayon zum 200 m nördlich gelegenen Baphuon und den folgenden Ruinen. Den Baphuon ließ Udayadityavarman II. um 1060 errichten: Der Tempel- und Götterberg in fünfstufiger Pyramidenform brach schon bald wegen seiner schlechten Statik zusammen. Er ist noch immer ein gigantisches Puzzle aus Abertausenden Felsquadern und Sandsteinblöcken, das französische Archäologen seit 1908 bzw. erneut seit 1995 mit Computerprogrammen zusammensetzen, z. B. die zwei Tribünen und das erst 2008 fertig restaurierte Relief eines etwa 70 m langen liegenden Buddhas an der Westfassade. Wandele weiter entlang der 350 m langen Elefantenterrasse, einer 2,5 m hohe Tribüne für Jayavarman VII. mit Elefantenparade, Garudavögeln und Löwen – verewigt als lebensgroße Reliefs auf dem Fundament. Dahinter (westlich) erheben sich die Überreste des mehrstöckigen himmlischen Palasts (Phimeanakas) mit Badebecken für die Konkubinen und die Männer. Einige Schritte weiter erreichst du die 25 m lange Terrasse des Leprakönigs, vermutlich benannt nach der hier aufgestellten Statue entweder von König Yasovarman I. oder vom Todesgott Yama (Original im Nationalmuseum in Phnom Penh). Beachte auch die fabelhaft erhaltenen Halbreliefs aus dem 13. Jh., die sich unterhalb der Terrasse an der südlichen Innenwand verstecken: himmlische Apsara-Tänzerinnen, Dämonen und Nagas.