Hat Madrid eigentlich einen Fluss? Oh ja – den Manzanares! Aber der hat leider nie die Berühmtheit einer Seine oder einer Themse erlangt. In den 1970er Jahren, zu Zeiten der Franco Diktatur, baute man eine Schnellstraße an sein linkes und rechtes Ufer, als Teil des Autobahnrings um die Innenstadt. Für ein paar Jahrzehnte verschwand der Fluss aus der Erinnerung der Einheimischen. Nun ist er wieder da. Wo jahrzehntelang der Autoverkehr achtspurig floss oder stockte, macht sich seit 2012 ein Park breit und vor allem lang. Madrid Río, „Madrid Fluss“, heißt die 120 ha große Grünanlage. Sie ist das gelungene Ergebnis einer der weltweit gewaltigsten Stadtumbauten der Gegenwart. Es war eine Operation am offenen Herzen: Während über die Ringautobahn weiter der Verkehr pulsierte, gruben die Bagger unter den Fahrbahnen kilometerlange Tunnel. Jetzt fließt der Verkehr unterirdisch und oben ist der Traum von der Parklandschaft am Wasser wahr geworden. Am nördlichen Ende des Parks, auf Höhe des Puente del Rey, bietet sich ein Panorama, das bisher Autofahrern vorbehalten war: Hier erhebt sich, auf einer Anhöhe über dem Manzanares, das Madrid de los Austrias mit dem Königspalast, der Kathedrale und der Kirche San Francisco el Grande. Nichts lässt darauf schließen, was sich ein paar Meter tiefer abspielt: Genau hier haben die Bauingenieure ein ganzes Autobahnkreuz, das sich früher über den Fluss spannte, unter die Erde gelegt.Vom Puente del Rey aus begleitet Madrid Río den Manzanares auf rund 10 km Länge in Richtung Südosten. Der Fluss selbst ist ein Flüsschen geblieben, gerade mal 50 m breit und so flach, dass er nicht zum Ertrinken taugt (und für Schiffsverkehr schon gar nicht). Er plätschert leise und ein wenig trübe durch sein künstliches Bett aus Basalt, in das ihn die Stadtplaner schon in den 1940er Jahren gepfercht haben.Nach den ersten 500 m Fußweg ist es mit Ruhe und schönen Ausblicken vorbei: Jenseits des Puente de Segovia wird Madrid Río zum Volkspark und gehört den Menschen, die in den Hochhäusern auf der Südwestseite des Manzanares leben. Nach Jahrzehnten am Rand der Autobahn haben sie sich den Park so selbstverständlich zu eigen gemacht, als hätte es vor ihrer Haustür nie etwas anderes als Bäume, Spielplätze und Straßencafés gegeben.