Mindelo ist nach Praia die zweitgrößte Stadt der Kapverden. Die 4 km weite Bucht eines versunkenen Vulkankraters schützt den recht großen und dennoch pittoresken Ort. Im Osten thront die Festung Fortim d’el Rei auf einem Hügel, im Westen wacht der Monte Cara – ein Felsen, dem Wind und Wetter die Form eines Menschengesichts verliehen haben. Protzige Jeeps und Designer-Sonnenbrillen demonstrieren, dass in der Stadt Geld zu machen ist, auch für Angehörige der schnell wachsenden Mittelschicht. Adrett gekleidete Büroangestellte und Kleinunternehmer gehören in Mindelo zum Stadtbild, sie mildern ein wenig die extremen Gegensätze zwischen reichen Finanzjongleuren und verlotterten Habenichtsen. Denn die Hafenmetropole lockt alle, die hoffen – auf hohe Profite, auf Arbeit, auf Geld für den nächsten grogue. Vor 150 Jahren strömten britische Einwanderer, kreolische Sklaven und Seeleute aus aller Welt in die plötzlich aufstrebende Stadt und schufen eine dynamische, kosmopolitische Mixtur. Kneipen und Rotlichtviertel entstanden, eine eigene Kultur mit unverwechselbaren Musikstilen wie morna und coladeira wurde geboren. Das musikalische und architektonische Erbe aus dieser Zeit begründet den Ruf Mindelos als Kulturmetropole der Kapverden noch heute. Nirgendwo sonst auf den Kapverden gibt es so viele Bauwerke im Kolonialstil. Prunkvolle Regierungsgebäude und stuck verzierte Herrenhäuser säumen schattige Plätze und die breite Uferstraße Avenida Amílcar Cabral. Sogar einver kleinerter Nachbau der Lissabonner Torre de Belém aus den 1820er-Jahren ist zu bewundern. Auf dem Fischmarkt daneben herrscht geschäftiges Treiben zwischen Ständen mit glitzerndern Fischleibern und exotischen Meeresfrüchten. Auch gegenüber sitzen Händlerinnen mit Fischen, Obst und Gemüse, Bonbons und Zigaretten.100 m weiter in Richtung Hafen beginnt die Rua Lisboa. Hier schlägt das Herz der Stadt. In zahlreichen kleinen Cafés und Geschäften herrscht vormittags reger Betrieb. In der historischen Markthalle blicken Sie von der Galerie im Obergeschoss, wo sich Geschäfte und Kneipen befinden, hinunter auf Berge von Obst und Gemüse. Nur ein paar Schritte entfernt befinden sich das Rathaus (1873) und die Kirche Nossa Senhora da Luz (1863) sowie der klassizistische rosafarbene Gouverneurspalast. Alt eingesessene, altmodische Pensionen und schicke neue Hotels gibt es in der Geschäftsstraße Avenida 5 de Julho. Sie führt zur Praça Nova, der beliebtesten Flaniermeile der Stadt. Auf den Parkwegen rund um einen stuckverzierten Jugendstilpavillon trifft man sich am Abend zum Sehen und Gesehen werden, und sonntags flanieren hier einheimische Familien im Festtagsstaat – manchmal zur Musik einer Blaskapelle. Der Kontrast zwischen nostalgisch angehauchtem kolonialem Flair und verspiegelten Neubaufassaden ist nur einer von vielen: In Mindelo prallt Arm auf Reich, leben Intellektuelle und Künstler neben Bettlern und Säufern, trifft der Wirtschaftsmogul mit Luxusyacht auf den Schuhputzer. Die wachsende Mittelschicht betrachtet es mit kosmopolitischer Gelassenheit.