von Ole Helmhausen

Kanadas WestenEine neue Dimension der Einsamkeit

Kanada
© iStockphoto/Pgiam

Saskatchewan ist groß, flach und leer. So groß, flach und leer, dass man einen entlaufenen Hund angeblich noch tagelang vom Küchenfenster aus sehen kann. Die Menschen hier sind gastfreundlich, rechtschaffen, bodenständig – und dem fernen Ottawa nicht sehr verbunden.

Nicht einmal 1 Mio. Menschen auf rund 650 000 km2 – das ergibt die meisten Highway-Kilometer pro Einwohner in Nordamerika! Der Trans Canada Highway verschafft dem Besucher einen ersten Vorgeschmack. Hinter Regina strebt er so schnurgerade nach Westen, dass man die Hände eine knappe Stunde lang vom Steuer nehmen könnte. Man lehnt sich zurück und genießt – über einem „the big sky“, der weite Himmel, vor der Haube die Erdkrümmung, die sonst nur vom Schiff aus zu sehen ist. Im palisadenbewehrten Fort Walsh National Historic Park freut sich ein holländisches Pärchen darüber, allein auf weiter Flur zu sein. Weiter östlich schneidet das 1,5 km breite Frenchman River Valley mehrere hundert Meter tief durch das Weideland. Im Nest Eastend fand man 1994 das Skelett eines T-Rex. Flugs wurde ein millionenteures Besucherzentrum eröffnet, aber der erwartete Besucheransturm blieb aus.

Das Kanada fernab der Welt

Hier leben rechtschaffene Menschen, die vor dem Essen beten. Ottawa liegt auf einem anderen Stern und ist alles andere als beliebt. „Re-Federation“, die Trennung von Ottawa und ein New Deal zwischen den unabhängigen Provinzen sind die Lieblingsthemen, aber man hat längst abgeschaltet. Gegenverkehr gibt es kaum, Shopping Malls noch weniger. Die Siedlungen sind Häuserhaufen an breiten Main Streets mit Kleinkindausstattern und Bestattungsunternehmen. Willkommen in der harten wirtschaftlichen Realität Süd-Saskatchewans: kaum Arbeit, schwindsüchtige Siedlungen. Viele Orte werden nur von stadtmüden Zuwanderern aus Vancouver und Toronto vor dem Exitus gerettet. Dass man hier für einen Truck mehr zahlt als für ein Haus, lockt vor allem Rentner und junge Familien an.

 

Unter Kojoten

Auch das 140-Seelen-Dorf Val Marie ist so ein Ort. Ohne den 2001 geschaffenen Grasslands National Park gäbe es ihn nicht mehr, wenngleich die erhofften Besuchermassen auch hier ausblieben. Der 450km² große Park schützt das letzte Stück unberührter Prärie in Nordamerika und ist ein Paradies für Wildtiere. Der Blick wandert über kniehohes, sich im Wind wiegendes Präriegras und verliert sich am Horizont. Adler kreisen am Himmel, Kojoten schleichen umher. Immer wieder schielt man zum Wagen zurück, dem letzten Bindeglied zur Welt. Und bald ist man so allein wie auf dem Mond.


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  • Ole Helmhausen Unterwegs in Kanada und den USA

    Ole Helmhausen ist für DuMont Reise unterwegs in Kanada und den USA.

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