Reportage

ReiseVenezianische Magie

Gondoliere bei der Pause ©picture alliance/DUMONT Bildarchiv/Sabine Lubenow

Die Sehenswürdigkeiten der verheißungsvollen Lagunenstadt ziehen jährlich abertausende BesucherInnen an. Doch trotz Massentourismus und ökologischen Bedrohungen sind es Monumente, die ihre historische Anziehungskraft vielleicht nie verlieren werden.

 

Piazza San Marco

 

Der 175m lange und 82m breite Platz ist das Parkett Venedigs. Napoleon nannte ihn treffend den „schönsten Festsaal Europas“. Heute könnte man wohl sagen, der „schönste Festsaal der Welt“. Längst schon begnügen sich nicht nur EuropäerInnen mit einem Besuch. Der prächtige Markusplatz ist ein Magnet für Menschen weltweit. Er hat eine eigene, ganz besondere Anziehungskraft.

Das Ensemble aus gurrenden Tauben, fotografierenden TouristInnen, umhereilenden KellnerInnen und sagenhafter Architektur brennt sich in die Erinnerung ein. Flankiert von der Fassade des Markusdoms und dem Canal Grande bekommt man die Magie Venedigs augenblicklich zu spüren: Die steinernen Löwen blinzeln und erwachen zum Leben, die Masken beginnen ihre Gesichter zu verziehen und ehe man sich versieht, schwebt man zwischen Realität und Traumwelt.

Auf den Boden der Tatsachen geholt, wird man durch die Preise in den angrenzenden Kaffeehäusern. Eine Institution ist das 1720 eröffnete »Caffé Florian«. Hier verkehrt und verkehrte alles was Rang und Namen hat, von Charles Dickens bis Andy Warhol. Es ist ein touristischer, aber dennoch wunderbarer Ort um sich standesgemäß einen Espresso einzuverleiben.

Eine neue Erscheinung am Markusplatz ist – so absurd es in der Stadt der Kanäle klingen mag - das Wasser. In Anbetracht des Klimawandels werden die 14.500 gepflasterten Quadratmeter regelmäßig überflutet. Der nur knapp über dem Meeresspiegel gelegen Platz ist ein eindrückliches Zeichen von Veränderungsprozessen. Die Zukunft wird also spannend werden.

Übrigens ist der Ausdruck »piazza« ein Alleinstellungsmerkmal – die anderen Plätze Venedigs werden als »campi« bezeichnet. Möchte man dem charakteristischen Strom der Menschenscharen entgehen und die piazza möglichst ungestört genießen, so empfiehlt sich ein Besuch entweder sehr früh morgens (Frühmesse des Doms ist um 7:00 Uhr), oder aber man wählt einen Neujahrsabstecher. Zwischen November und Januar ist es nahezu ausgestorben.

 

Ponte di Rialto

 

Venedig ist bekannt für seine Brücken, doch keine kann es ansatzweise mit der Popularität der Rialtobrücke aufnehmen. Das Posiermotiv schlechthin wird von vielen Augen lediglich durch die Kamera-oder Handylinse wahrgenommen. Der 48m lange und 22m breite Überlauf im heutigen Stile wurde 1591 von Antonio de Ponte realisiert. Die Geschichte reicht jedoch viel länger zurück und ist – im wahrsten Sinne des Wortes – nur noch bruchstückhaft rekonstruierbar. Es war die erste und damals einzige Möglichkeit den Canal Grande zu überqueren.

Die Brücke wirkt stabil, massiv und trägt doch Leichtigkeit und Verspieltheit. Sie ist ein Spiegelbild des venezianischen Flairs. Ihrem Ruf vorauseilend, hat man vom Scheitelpunkt aus wahrhaftig einen unvergleichlichen Blick auf das Wasser, wo sich Sonnenbrillen-geschmückte Damen und Herren von adrett gekleideten Gondoliers chauffieren lassen.

Die Rialtobrücke ist das Verbindungsglied der Stadtteile San Marco und San Polo. Verdankt ihren Namen dem nahegelegenen Gebiet Rialto, das einst der wichtigste Handelsplatz der Stadt war. »Rivo alto« bedeutet dabei das „hohe Ufer“.  Hier feilschte der Adel um günstige Kredite für den Fernhandel insbesondere um Salz, Pfeffer und Weizen nach Europa zu bringen.

Heute vereint sie expressive Lebendigkeit mit dem Duft zahlreicher Trattorien, dem Klang fremder Sprachen und der Farbpalette wassergefärbten Steins. Ja, so stellt man sich Venedig vor, ein sich wunderbar erfüllendes Klischee.

 

Mercato di Rialto

 

Von dem gewölbten Übertritt nun zum Ort des Geschehens: Der Rialtomarkt ist der Bauch der Lagunenstadt, eine authentische Erfahrung des städtischen Alltagslebens. Eine sicht- und fühlbare Abwechslung zu Designerläden, Rollkoffern, Souvenirshops und überteuerter Pasta.

Die Geschichte des Marktes reicht Jahrhunderte zurück, hier konzentrierte sich einst der große Austausch mit der Welt und die alltägliche Bedarfsdeckung von Kleinunternehmen wie Bäckern. Preise wurden festgesetzt, Frachtgeschäfte um Obst und Gemüse geschlossen, Schiffe ge-und verpachtet, der In- und Export reguliert und mit Rohstoffen gehandelt. Die Börse von Gold und Silber war selbstredend der besser betuchten Schicht vorenthalten. Alles passierte unter den wachen Augen des Staates, er vermietete die stazios, die im Freien stehenden, von einem Segel abgedeckten Stände. Zudem kassierte er für jedes Kilo Mehl, jeden Liter Wein, jede Portion Gemüse, jedes Stück Fleisch Abgaben – Steuern.

Der mercato ist ein Ort des Genusses und des Lebens – ein farbenfrohes Paradies aus in Holzkisten präsentierten Tomaten, Salaten, Spargel, Orangen, Erdbeeren und Kräutern. Hier decken sich die Restaurantbesitzer der Umgebung ein, sp begegnet einem Gesehenes  womöglich abends auf dem Teller wieder. Doch nicht nur die Auswahl an frischem Obst, Gemüse oder Adriafang lässt Augen erstrahlen. Die gewitzten HändlerInnen drappieren kleine Häppchen und Süßigkeiten so geschickt, dass man schon erheblich Widerstandskraft beweisen muss, um ohne einen Einkauf wieder hinaus zu schreiten. Endgültig gebrochen wird sie spätestens von den kleinen Bars in der Umgebung. Ob mit einem eisgekühlten Aperol Spritz oder einem lauwarmen Brioche – in der Gesellschaft sich lautstark unterhaltender Venezianer genießt es sich am besten. 

Der Mercato di Rialto ist ein malerisches Pflaster, öffnet früh morgens und schließt, wenn man mit der Ausbeute des Tages zufrieden ist.

Autorin: Lea Katharina Nagel 

 

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