Eine RenaissanceWas Camping aktuell so besonders macht

Mit dem Bulli durch Europa ©Art Konovalov/Shutterstock

Die Corona-Pandemie, begonnen im Jahr 2020, hat unser Selbstverständnis von Reisen und Globalität auf den Kopf gestellt. Eingeschränkte Reisefreiheit war ein Begriff, der vielen Weltenbummlern und Reisefreudigen Bauchschmerzen bereitet hat. Inzwischen sind Camping und Nahurlaub Trend geworden. Doch was macht diese Form des Reisens zu einem so zeitlosen Klassiker? Ein paar mögliche Antworten:

 

Zu den Ursprüngen

Die Ursprünge des Campens im europäischen Raum sind eng mit der Wanderbewegung des 19. Jahrhunderts verbunden. Mit dem Zelt und wenigen Habseligkeiten in und mit der Natur zu leben hat jedoch keine datierbare Geburtsstunde. Diese Sehnsucht nach Auszeit und Minimalismus reicht lange in die Menschheitsgeschichte zurück. Ein deutlicher Aufschwung lässt sich dabei nach den erschütternden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts beobachten. Die Menschen sehnten sich nach Erholung und Freizeit, sehnten sich danach, der Seele Freude zu schenken. Camping bot eine kostengünstige, unkomplizierte Möglichkeit dafür. Bereits hier wird deutlich, es geht um mehr: Um Emotionalität, um Sehnsüchte und Träume. 

Auch die Erfindung des Wohnmobils – damals noch als Wohnautobezeichnet – fällt in diese Zeit. 1931 wurde es von dem Deutschen Aris Dethleffs konstruiert und anschließend gebaut – ein Liebesgeschenk an seine Ehefrau.

 

Die Faszination des Campens

Camping ist DIE Reiseform für Individualisten, ist Reisen nach der eigenen Fasson. Jeder und jede kann von Schlafgewohnheiten bis zum Ablauf der morgendlichen Dusche selbst entscheiden. Kann entscheiden, welche Art der Mobilität er nutzen will – ob Zug, Fahrrad, zu Fuß oder den eigenen Bus. Kann entscheiden, ob Gesellschaft oder Einsamkeit vorgezogen wird. Kann entscheiden, ob Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil das temporäre Zuhause wird. Camper genießen die persönliche Freiheit, genießen das Leben ohne feste Zeiten, ohne viele Regeln. In der heutigen Zeit ist für jeden Gelbeutel und jeden Anspruch etwas Passendes dabei.

 

Einstein soll einst gesagt haben: „Schauen Sie tief in die Natur und Sie werden alles besser verstehen“. Camping bietet einzigartiges Naturerlebnis. Selten ist man augenblicklich der Natur und den Tieren über einen längeren Zeitraum so nah. Selten spürt man noch diese Verbindung. Ob ein atemberaubender Sonnenuntergang am Horizont oder ohrenbetäubendes Donnergrollen. Zum Einschlafen brauch es keine Spotify-Playlist – „nature sounds“ gibt es ohne Abonnement, authentisch und nicht aus Kopfhörern.

 

Zurück zum Ursprungsgedanken: Camping realisiert eine besondere Form der Auszeit. Abseits von den Hektiken des Alltags, beruflichen Verpflichtungen und privaten Sorgen. Im Jahr 2021 ist für uns alle ein Leben ohne Smartphone und Laptop kaum denkbar. Hier darf das Stichwort digitale Auszeit fallen. Häufig stolpert man mittlerweile über den bezeichnenden Begriff Digital Detox. Allerlei Ratgeber, Strategien und Pläne werden angeboten, um diese Form der Reinigung zu unterstützen. Entschleunigung, Natur, Freiheit und das Ultimative: Kein Handy- und Internetempfang sind dabei vielleicht die effektivsten Helfer.

 

Camping ist Reduktion. Eine notwendige Entscheidung, auf Überflüssiges verzichten. Nur soviel mitzunehmen, dass das eigene Wohlbefinden sichergestellt ist. In einer Welt voll Überfluss, Konsum und allzeitlicher Verfügbarkeit ist dieser gelebte Minimalismus gar heilsam.

 

Camping und Campen sind weitläufige Begriffe, nicht definierbar, persönlich. Die Möglichkeiten des heutigen Campens sind geprägt von technischen Neuerungen und angereichert durch kreative und innovative Ideen. Ob Solarmodule oder hochwertiges Edelstahl-Kochequipment, plastikfreies und biologisch abbaubares Grillzubehör, oder chemiefreie Seifen, Waschmittel und Mückensprays. So bekommt auch der Nachhaltigkeitsgedanke verstärkt Aufmerksamkeit, Camping wird und wurde kritisch hinterfragt. Der „ökologische Fußabdruck“ diskutiert. Greenoder Zero Waste Camping sind längst keine Randerscheinungen mehr. Die Bedeutung der Nachhaltigkeit führt zurück zu den Ursprüngen – mit der Natur zu leben, sie wertzuschätzend und darin Freiheit zu finden.

 

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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