ReiseOrient und Okzident

Eine Stadt auf dem Vormarsch © picture alliance/ DUMONT Bildarchiv/ Frank Heuer

Istanbul, eine Stadt mit vielen Gesichtern, zählt zu den größten Metropolregionen weltweit. Hier trifft traditionell religiöse Kultur auf hochmodernes Leben. Eine unvergleichliche Synthese.

 

Fast 15 Mio. Menschen leben in der größten Stadt der Türkei. Istanbul ist Finanz-, Wirtschafts-& Kulturzentrum des Landes – auch wenn Ankara offizielle Hauptstadt ist. Die am Bosporus gelegene Hafenstadt liegt auf der europäischen wie asiatischen Kontinentalplatte. Beide Prägungen sind im alltäglichen Leben sicht- und spürbar.

Das ehemalige Konstantinopel blickt auf eine 2700 jährige Geschichte zurück, war sowohl im römischen, byzantinischen als auch osmanischen Reich von Bedeutung. Religiös für das Christentum, als auch für den Islam. Ablesbar im Stadtbild: Moscheen, Kirchen, Synagogen, Bauten des mittelalterlichen Byzanz, griechisch-römische Antike – hochkonzentriert in der Altstadt. Dazu gesellt sich die moderne Türkei, spritzig, kreativ, ausgelassen. 24h des Tages voll von Leben und Angebot. Über allem weht der Hauch des Orients.

 

Historie

 

Konzentriert findet man die meisten Sehenswürdigkeiten im Stadtteil, Fatih. Er entspricht im Grunde der gesamten Altstadt. Hier findet man die vergleichsweise kleine Hagia Sophia, eine ehemalige christliche Kirche im byzantinischen Baustil, die seit 2020 als Moschee genutzt wird.

Unweit davon entfernt liegt die Blaue Moschee, nach dem historischen Auftraggeber auch »Sultan-Ahmet Moschee« benannt. Ihren Spitznamen verdankt sie den charakteristisch blau-weißen Iznik-Fliesen im Inneren des Gebetshauses. Überrankt mit Pflanzenmotiven, stammen sie aus der westanatolischen Provinz Iznik– Kern der unverwechselbaren Töpferware. Fertiggestellt wurde das imposante Gebäude 1616, geplant und gebaut von Mehmet Ağa, einem Schüler Sinans. Sinan, der bedeutendste Bauherr des osmanischen Reichs.

Die blaue Moschee glänzt auch mit Farbe: 260 Fenster, gespickt mit buntem Glas, färben das in den fast quadratisch angelegten Gebetsraum einströmende Licht. Ihre sechs Minarette sind weit aus der Ferne zu erkennen, sind Markenzeichen. Üblicherweise zieren die muslimischen Gotteshäuser nur vier davon, lediglich zwei Moscheen weltweit übersteigen diese Anzahl. 2006 besuchte erstmals ein Papst das Heiligtum.

Im gleichen Radius der Altstadt ist der Topkapi-Palast angelegt, in der Landessprache »Topkapi Sarayi« genannt. Anders als der Name vermuten lässt trumpft das Gebäude nicht mit einschüchternder Palastarchitektur, sondern mit lockerem Charme. Ähnelt eher einem weitläufigem Parkgelände, aufgeteilt auf vier Höfe, Pavillons verteilen sich über das Areal, Säulen über Säulen zieren das Innere und der sehenswerte Harem trägt definitiv den Flair von Tausendundeiner-Nacht. Eine umfangreiche Sammlung an islamischer Kust aus dem Hause der Sultane lässt die Herzen von Kulturhungrigen und (Hobby-) Archäologen höher schlagen. Gelegen an der östlichen Landspitze offenbart sich dabei eine unvergleichliche Panoramasicht über die Stadt.

 

Moderne

 

Der Stadtteil Beyoglu ist neben Fatih populärer wie sehenswerter „Lebenshafen“. Er repräsentiert die junge, westlich geprägte Generation, gibt Einblick in die moderne Türkei. Von der Altstadt aus ist es letztlich nur ein Katzensprung über die belebte Galata-Brücke. In diesem, stark westlich geprägten Areal, liegt der bekannt Taksim-Platz– weltweite Bekanntheit erreichte er durch die Proteste im Jahr 2013. Die hier eingeschlossen Viertel Cukurcoma, Cihangirund Galata sind stimmungsvoll und locker, schrill und persönlich, bunt und gemixt. Kleine Antiquitätengeschäfte und Boutiquen lassen kleine Schätze finden, ausgefallenen Schmuck, zierliche Kunstgegenstände, kreative designte Kleidung. Als Zentrum des nachtlebens wird es in den Abendstunden besonders laut und ausgelassen. Bars, Clubs und Kneipen lassen Willige bis zum Aufgang der Sonne mit jungen TürkInnen der Lebensfreude und des Tanzbeins frönen.

In Beyoglu erstreckt sich die geläufige Istikal Caddesi („Straße der Unabhängigkeit“)– populäre Einkaufsstraße, Fußgängerzone und Flaniermeile. Entlang von 1,4km verbindet sie den Galata-Turm mit dem Taksim Platz. Hier ist tagsüber wie abends sprichwörtlich „Die Hölle los“: Straßenkünstler, Geschäfte, Restaurants, Galerien, Botschaften, Paläste, herrschaftliche Häuser, dazwischen Diskotheken und Bars – rundherum Kunst und Kultur.

 

 

 

Verbindungsglied

 

Istanbul ist ein Ort des Beobachtens: Stundenlang kann dem Treiben und Leben der EinheimIschen ohne einem Gefühl der Übersättigung zugesehen werden. Besonderer Ort hierfür ist die Lebensader der Metropole – die erwähnte Galata Brücke (»Galata Köprüsü«). Direkt über das Goldene Horn gespannt, verbindet sie Fatih und Beyoglu, verbindet Historie mit Aktualität. Dicht an dicht lehnen schier tausende von Fischern über dem Geländer, schnatternd auf den großen fang wartend. In der unteren Etage säumen sich Cafés und Ladenlokale, die mit frisch zubereitetem Fisch und Meeresfrüchten die Meerlage der Stadt in die Nase tragen. An den Ausläufern bieten kleine und provisorischere Streetfood-Verkäufer das traditionelle »balik ekmek« („Fisch im Brot“) an. Der Duft ist herrlich.

 

Istanbul hat unglaublich viel zu bieten, macht bei Besuchen die Auswahl in der Tat schwer. Die Sehenswürdigkeiten tragen ihren Namen zurecht, noch sollte das Leben abseits ungesehen bleiben. Die türkische Metropolregion ist ein Baukasten der Geschmäcker: Ist konservativ wie bunt. Ist Stoik wie Trubel. Lädt ein, auf eigenen Pfaden zu Wandern, die eigene Erfahrung selbst zusammenzusetzen.

Autorin: Lea Katharina Nagel 

 

Nach oben