Reportage

ReiseGlühende Enklave

Chinatowns markante Lampions ©shutterstock/bunnygraphy

Bangkok, Thailands pulsierende Metropole, verbirgt in ihrem Gewirr von Straßen und Gassen ein bekannt verkanntes Juwel: Chinatown. Auch Yaowarat genannt, ist das historische Viertel eine lebendige Enklave chinesischer Kultur, die vor über 200 Jahren entstand und zu den ältesten und größten Chinatowns der Welt zählt. Sie besticht mit einer einzigartigen Mischung aus Geschichte und modernem Flair, wirkt wie eine Inszenierung und fühlt sich doch so authentisch an wie nur wenige Orte in Bangkok.

 

Über 200 Jahre Geschichte: Die Wurzeln von Yaowarat reichen bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück, als sich chinesische Einwanderer in diesem Teil der Stadt niederließen. Der Stadtteil, der sich direkt an Bangkoks Wasserader, dem Chao Phraya, anschmiegt, wurde rasch zu einem Zentrum des Handels und zu einem Schmelztiegel kultureller und religiöser Einflüsse. Mit den chinesischen Gemeinschaften kamen nicht nur Sojasauce und Nudeln in das ehemalige Siam, sie brachten ihre Gepflogenheiten und Bräuche mit, beeinflussten Architektur und insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung. Ab 1855 schlossen sie mit zahlreichen Import- und Exportunternehmen an den internationalen Markt an, Chinatown wurde zu Bangkoks florierendem Geschäftsviertel: Lagerhäuser entstanden, Gewürze, Textilien und Schmuck wurden in die ganze Welt verschifft. Heute liegt die Wirtschaftskraft Thailands in den hohen Bürogebäuden von Sukhumvit oder Silom.Chinatown gilt als gewöhnungsbedürftig, fremd und interessant.

 

Tagsüber: Ein lebendiges Netz

 

Ein Spaziergang durch das Netz rund um die lebendige Yaowarat Road oder mitten hinein in die Sampeng Lane gewährt Einblicke in ein dichtes Meer aus Einheimischen und Touristen gleichermaßen. Es ist eng, vollgestopft und geschäftig. Die schmalen, teils überdachten, Gassen sind gesäumt von Ladenzeilen, an denen bunte Plüschkuscheltiere neben Schuhuniversen und Plastikwaren aller Art angeboten werden. Goldstuben und Trading-Schilder reihen sich aneinander und erzählen von der handelsintensiven Vergangenheit, die Chinatown bis heute prägt. Es herrscht ein ununterbrochenes, freundliches Treiben, volle Plastiktüten türmen sich in schwindelerregende Höhen, Autos und Roller zwängen sich durch die Stände. Es duftet nach gegrillten Bananen.

Zu den Attraktionen zählen außerdem viele kleine und große buddhistische und chinesische Schreine, allen voran der Wat Mangkon Kamalawat, die junge Song Wat Road oder die urigen chinesischen Apotheken mit ihren vielen traditionellen Heilkräutern. Mit den MRT Metro-Blue-Line Stationen Hua Lamphong beziehungsweise Wat Mangkon und dem Pier Rachawong für die Expressboote ist die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr der Metropole ideal.

 

Nachts: Kulinarisches Paradies

 

Doch erst wenn die Sonne untergeht, erwacht Chinatown zu seiner eigentlichen Pracht: Das Markttreiben ebbt ab und das Viertel verwandelt sich in ein kulinarisches Paradies, das zu Recht als eines der besten Streetfood-Ziele Bangkoks gilt. Das Herz schlägt rund um die permanent verstopfte Yaowarat-Road, die gesäumt ist mit Gold-, Jade- und Schmuckgeschäften sowie unzähligen kleinen Garküchen. Hier, wo die Hauptattraktion greller Thai-Pudding, aromatische Fischball-Suppe, Birdsnest und Undefinierbares ist, trifft Tradition und Geschichte auf modernen Lebensstil. Die Köche und Köchinnen, einige seit mehr als 40 Jahren an ihren Ständen, zaubern routiniert authentische Geschmackserlebnisse und das, was entdeckungsfreudige Besucher sehen und schmecken wollen.  Der Duft von Gebackenem und Gebratenem begleitet das Geschehen, während die Lichter die Straße in ein warmes, einladendes Glühen tauchen. Die Nacht haucht dem Ort eine besondere Magie ein, paart sich mit dem Rot der vielen unverkennbaren Lampions. Die mit grellen Neonschildern bestückten Häuser erzählen noch von Zeiten, in denen hier Opiumhöhlen, Bordelle oder anrüchige Hotels angesiedelt waren.

 

Wie viele Menschen heute genau in Chinatown leben, ist nicht bekannt. Es liegt im Bezirk Samphanthawong, dem kleinsten Bezirk Bangkoks mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Viele Menschen kommen nur für ein paar Stunden hierher, um einen kurzen Tauchgang in die Exotik zu unternehmen. Bietet sich die Chance, hier über Nacht oder sogar ein paar Tage zu verbringen, zeig Bangkoks reizüberflutendes Sonderviertel eine erstaunlich dörfliche und ungebrochen warmherzige Atmosphäre.


Autorin: Lea Katharina Nagel

 

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