Reportage

EuropaZagreb

Im Frühjahr ist der Blick auf das Reiterdenkmal des ersten kroatischen Königs in Kirschblüte getaucht ©shutterstock.com/Ilija Ascic

Seit dem 1.1.2023 ist Kroatien Teil des Schengenraums, die Grenzen sind offen, der Euro ersetzt die »Kuna«. Abseits der beliebten Adria-Küste gelegen, wird die beschauliche Hauptstadt mit ihren knapp 800.000 EinwohnerInnen noch weitläufig unterschätzt.

 

Kroatien, hier hat man gemeinhin türkisblaues Wasser im Kopf, kleine Hafenstädte und Sommerurlaub. Zagreb, die nordöstlich im Landesinneren gelegene Hauptstadt, wird bisweilen noch stiefmütterlich behandelt. Sie ist Wirtschaftsmetropole, politisches Zentrum und wichtigste Universitätsstadt. Hier tagt der Sabor, das Parlament, junge Menschen strömen aus allen Landesteilen herbei und beflügeln die aktuelle Entwicklung in Richtung Internationalität. Dabei bewahren alteingesessene »purger« noch das Erbe der Habsburger. Es ist diese Mischung, aus k.u.k. Flair, Sozialismus und progressivem frischen Wind, die Zagreb zu einer besonderen Reisedestination macht.

Das Klima ist mitteleuropäische geprägt, angenehm, wenig überraschend und doch zaubert jede Jahreszeit ein neues und einzigartiges Antlitz der Stadt hervor: Im Frühling blühen malerisch die Kirschbäume rund um das Reiterdenkmal König Tomislavs, im Sommer beleben zahlreiche NachtschwärmerInnen die Straßen bis in die frühen Stunden hinein, das Zagreb Film Festivaltröstet über grauerer werdendes Wetter in den Herbsttagen hinweg und im Winter werden die Hänge des Sljemes besonders für Skifans attraktiv.

Ob bei Sonnenschein oder Schneefall geht es trotz des Status als „Metropolregion“ eher ruhig und beschaulich zu. Zahlreiche Parks und Grünflächen laden zum Verweilen ein, historische Prachtbauten erinnern an die Gemächlichkeit Wiens und doch muss man nicht auf Hauptstadt-Flair verzichten. Gerade die äußerst lebendige Street-Art Kultur weist symbolhaft in Richtung Aufbruch.

Kulturell gesehen sticht in Zagreb eine breite wie vielfältige Museumslandschaft hervor, die im europäischen Vergleich einzigartig ist. Die Palette reicht von klassisch-modern über komisch bis extravagant. So zeigt das Museum für Zeitgenössische Kunst, entworfen von Architekt Igor Franić, oder die kleinere Moderna Galerija avantgardistische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Technikbegeisterte jeden Alters wird das Nikola-Tesla-Museum mit seinen historischen Maschinen und Oldtimern anziehen - einer Hommage an die stets präsente Figur des Visionärs. Es sind jedoch die alternativeren Formate, die besonders überraschen und bisweilen zu einem Schmunzler führen: Das Pilz-Museum entführt in die schwammigen Welten der Waldbewohner, das Museum für zerbrochene Beziehungen ist ein schonungsloser Realitätsabgleich, das kroatische Museum für Naive Kunst, das den Schwerpunkt auf die Hlebine-Schule,ist wieder etwas für klassische KunstliebhaberInnen und die Lauba, ein hybrider Begegnungsort mit Ausstellungen, Konzerten, Workshops und diversen Veranstaltungen, glänzt mit Interaktivität.

 

Ähnlich wie auch die Museumslandschaft gestalten sich die Teller in den zahlreichen Cafes, Restaurants, Stuben und Szenebars. Vom Zagreber Schnitzel über Ćevapčići bis zu asiatischer Fusionküche trifft man auf Erwartetes und Unerwartetes. So gibt es in dem trendigem Café Amelie unterhalb der Kathedrale hausgemachte Kuchen und Torten vom Feinsten. Im Fidel Gastro wird feine japanische Küche in kreativer Weise mit Jazz kombiniert, gemütlich und pubähnlich präsentiert sich das Cinkus – einer Kneipe mit bodenständigen Gerichten. Für Brunchfans eignet sich das stylische Kavkaz, das direkt am Nationaltheater im sogenannten Grünen Hufeisen liegt. Hier gibt es Chia Pudding, klassisches Omelette, Croissants und einen guten Macchiato.

 

Apropos Grünes Hufeisen: Bei der auch als Lenuci-Hufeisen bekannten Anordnung handelt es sich um eine Kombination aus Parks und Plätzen in „U“-Form, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts  angelegt wurden und nach dem einflussreichen Stadtplaner Milan Lenuci benannt wurden. Unter den insgesamt sieben Plätzen ist auch der König Tomislav Platz, der im Frühling das Bildnis des ersten kroatischen Königs in traumhafte Kirschblüte taucht und insbesondere dann eine beliebte Fotokulisse ist. Ein Spaziergang in diesem herrlichen Grün, kann am Nationaltheater begonnen werden, über das Staatsarchiv, den Botanischen Garten, das berühmte Hotel Esplanade, den Kunstpavillon, den Hauptbahnhof bis zum Zrinjevac führen. Das Areal umfasst insgesamt 12.540 m2 und ist sowohl in den Sommermonaten als auch der Adventszeit ein beliebter Treffpunkt von Zagrebern und TouristInnen. Im Hotel Esplanade nächtigten übrigens seit 1925 die Passagiere des bekannten Orient-Express und machten das Etablissement bis heute zu einer Legende. Prominente Gäste aus der Film- und Musikbranche wie Alfred Hitchcock, Josephine Baker, Woody Allen oder Tina Turner beschwingten den Ruhm. Der Ausflug in die Goldenen 20er ist dabei erstaunlich erschwinglich geblieben. Mit etwas Glück kann man ein Schnäppchen ergattern und in gediegenen Räumen zwischen Marmorbad und Sauna die Erfahrungen von Zagrebs Stadtlandschaft in Ruhe Revue passieren lassen.


Im März 2023 erscheint der brandneue DuMont direkt Reiseführer Zagreb von Autorin Patricia Fridrich. Das handliche Format ist ein idealer Reisebegleiter für einen Städtetrip in die aufstrebende Szene-Stadt Europas.


Autorin: Lea Katharina Nagel ​​​​​​​

 

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