Reportage

KlimawandelDer Untergang Jakartas

Eine alte Frau klammert sich in den Fluten an ihr Haus © shutterstock.com/Ahmad_Ridho_ErPutra

Indonesien ist eines der Länder, die von den Auswirkungen des Klimawandels massiv betroffen sind. Allen voran die gigantische Hauptstadt Jakarta. Mit einem neuen Megaprojekt will der Präsident Joko Widodo den Herausforderungen der Zukunft trotzen: Es steht ein Umzug von Millionen an.

Es gibt viele große und begehrte Küstenstädte auf dieser Welt. Mumbai,Tokio, Venedig, New York, die Malediven. Mit 34 Millionen Menschen in der Metropolregion und 10 Millionen im Zentrum, gehört Jakarta zu den am dichtesten bevölkertsten unter ihnen. Es ist eine Stadt, in der das Leben ohnehin kein Zuckerschlecken ist: Sie ist überfüllt, arm, erheblich mit Smog belastet und einer der sogenannten „Verlierer“ des Klimawandels. Und auch die Zukunft verspricht nichts Gutes: Jakarta wird in den kommenden Jahrzenten langsam, aber sicher, untergehen.

Was sich wie Science Fiction anhört, ist bittere Realität. Schon heute sackt der Erdboden jährlich stellenweise um bis zu 25cm ab. Gleichzeitig führt das Schmelzen der Pole zu einem Durchschnittsanstieg des Meeresspiegels um 3,3mm pro Jahr. Auf einem herkömmlichen Lineal ein winzinger Wert, der vernachlässigt werden kann? Mitnichten, für Küstenregionen kommt es deshalb zu einem Tanz auf Messers-Schneide. Jakarta betreffend liegen in 20 Jahren 80% der Stadtfläche unterhalb der Sealevel-Grenze.

Hinzukommend werden Niederschläge, Wetterextreme und der jährlich zirkulierende Monsunregen intensiver. Sturmfluten nehmen und nahmen zu. Schon seit Jahren wird die Hauptstadt regelmäßig von massiven Überschwemmungen überrascht. Besonders in Erinnerung geblieben ist das Jahr 2007: Über die Hälfte der Stadtteile, schätzungsweise 70.000 Häuser, fielen enormen Wassermassen zum Opfer. Die Bedrohungen schleichen sich von vielen Seiten an und der Mensch ist dabei nicht ganz unschuldig:

Seit den 90er Jahren hat sich die Bevölkerung Jakartas nahezu verdoppelt. Heute platzt sie buchstäblich aus allen Nähten. Um Lebensraum für die zuströmenden Massen zu schaffen, handelte man in der Vergangenheit nicht unbedingt nachhaltig. Massive Rodungen und in der Folge Flächenversiegelungen im Umkreis der Megacity zerstörten natürliche Überschwemmungsflächen. Sie fungierten seit Jahrhunderten als schützender Puffer. Man kann es sich so vorstellen: Die Erde ist wie ein Schwamm, Baumwurzeln bilden die haltende Textur. In Zeiten des Monsuns saugt der Boden einerseits Wasser auf, andererseits bilden sich natürliche Abflussgerinne, die eine Stauung und Überschwemmung verhindern. Diese ökologische Intelligenz wurde zerstört und durch eine künstlich-technische ersetzt.

Ein vielleicht gut gemeintes Vorgehen, aber die schlechte Nachricht dabei ist: Sie scheitern. Das Kanalsystem ist regelmäßig überfüllt oder durch Tonnen von Müll verstopft. Schützende Dämme – sofern sie halten - schenken im besten Falle Zeit, sind aber letztlich nur Tropfen auf dem heißen Stein. Die niederschlagende Erkenntnis verlautet eine irreversible Destabiliserung des Systems. Durch die damit einhergehende Unkontrollierbarkeit, braucht es dringend Lösungen. Möglichst rasch, möglichst nachhaltig, möglichst kostengünstig.

Mit einem apokalyptischen Szenario im Rücken, gerieten Politik und regierende Verantwortliche zunehmend in die Bredouille. Gemeinsam mit Wissenschaftlern sondierte man Möglichkeiten, die von einem Zukauf neuer Inseln bis zu hochmodernen Infrastrukturprojekten reichten. Die meisten Pläne scheiterten an ihrer technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit.

Seit 2019 drangen neue Gerüchte nach außen. In einer Regierungsansprache Anfang des Jahres 2022 wurden sie nun bestätigt:  Jakarta wird de facto verlegt und eine neue Hauptstadt mit dem Namen »Nusantara« entsteht. Eine aberwitzige Idee? Das Vorhaben ist im Osten der Insel Borneo bereits in vollem Gange. Die Einweihung optimistischerweise für 2024 angesetzt. In einem Brettspiel würde das bedeuten, alle Spielfiguren zu nehmen und sie von A nach B zu verpflanzen. Leider ist die Realität kein Spiel. Der Umzug von Millionen Menschen, Krankenhäusern, Unternehmen etc. gleicht einem Mammutprojekt, dessen Ausmaße die Grenzen des Vorstellbaren berühren.

Mit einem einfachen Umzug ist es nicht getan. Was wird aus Ladenbesitzern und ihrer wirtschaftlichen Existenz? Neben der Logistik wird auch der Verwaltungsaufwand unüberschaubar groß werden. In der Tat, für einen solchen Entschluss braucht es Mut. 

Schmerzlich ist, dass insbesondere arme und sozial benachteiligte Menschen sowie die Anliegen tausender Slum-BewohnerInnen im heutigen Jakarta wohl mituntergehen werden. Es wird die soziale Herausforderung für Indonesiens Präsidenten Joko Widodo sein, den Menschen eine Lobby zu geben, die keine haben. Auch die BewohnerInnen auf Borneo fürchten um ihr Farmland, heute schon wurden für die neue Planstadt tausende Hektar Regenwald gerodet. Ökologisch betrachtet ein Desaster, dessen Konsequenzen uns erst zukünftig einholen werden.

Autorin: Lea Katharina Nagel 

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