Reportage

AfrikaWunderwelt Madagaskar

Türkisblaues Wasser ist charakteristisch für Madagaskars Küstengebiete ©shutterstock.com/Oliver_S.

Exotik und Entdeckertum sind das, was die bezaubernde Insel im Indischen Ozean weckt, ihre Besonderheit liegt in einem Konglomerat unverwechselbarer Einzigartigkeiten: Die natürliche geographische Isolation hat eine imposante Welt abseits jeglicher Vorstellungskraft geschaffen.

 

In unseren Breitengraden als Gewürzinsel bekannt, ist Madagaskar 1.5 Mal so groß wie Deutschland. Hauptstadt ist mit 1.4 Mio. EinwohnerInnen Antanantarivo, gelegen im zentralen Bergland. Tana, nennen sie die Einheimischen. Das Aussehen der Insel kennzeichnet sich durch eine intensive Farbwelt - die Reisfelder im Süden leuchten strahlend grün, türkisblaues Wasser funkelt der Sonne entgegen und ein sattes braun-rot der Erde ist Nährboden für fruchtbaren Regenwald. Vor Millionen von Jahren wurde sie vom indonesischen und afrikanischen Festland Godwanagetrennt und so konnte sich eine Landschaft, ein Tierreich wie eine ethnische Vielfalt entwickeln, die in dieser Form nur ein einziges Mal auf dem Planeten vorkommt.

 

Ethnien

 

Die ersten menschlichen Besiedelungen Madagaskars datiert man heute auf das 1. Jahrhundert nach Chr., sie waren asiatischen Ursprungs. Es folgten Jahrhunderte, in denen sich kleine bis mittelgroße Reiche verschiedener Volksgruppen herausbildeten. Zahlreiche Palastruinen, Königsgräber und Dynastien erzählen von einer Zeit bevor Ende des 19. Jahrhunderts das Interesse der Kolonialmacht Frankreich an der Insel wuchs. Am 6. August 1896 wurde das Land offiziell von den Europäern unterworfen, man bediente sich an wertvollen Exportgütern wie Zucker oder Gewürzen, beutete das lokale Leben aus. Die von Kriegen geprägte Fremdherrschaft wurde 1960 durch die Unabhängigkeit Madagaskars beendet.

Heute teilt sich die madagassische Bevölkerung offiziell in 18 verschiedene Hauptethnien auf, die größten von ihnen sind die Merina (27%), die Betsimisaraka (15%)und die Betsileo (12%). Nur zwei von ihnen sind asiatischen, die 16 anderen afrikanischen Ursprungs. Viele von ihnen leben noch immer von der Landwirtschaft, von Kunsthandwerk und Fischerei. Ob an den Küsten oder im bergigen Hochland – ihre individuellen Völkergeschichten prägen das Leben vor Ort und begleiten bei einer Reise über die exotische Inselwelt: So treiben Bara-Hirten rund um ihre Hauptstadt Ihosy große Zebu-Herden über weite Graslandschaften, die kleine Gruppe der Antaimorosind für Papierherstellung und das Erlenen von Schrift durch arabische Einflüsse bekannt und die Zafimaniry (zugehörig zum größeren Stamm der Betsileo) sind wiederum für ihr kunstvolles Holzhandwerk bekannt, das 2003 in die UNESCO Liste für immaterielles Kulturgut aufgenommen wurde.

 

Küche

 

Die vielen unterschiedlichen kulturellen Einflüsse spiegeln sich auch in der madagassischen Küche wider. Von Asien kam das wichtigste Grundnahrungsmittel, der Reis – man isst ihn heute zu allen Tageszeiten: morgens als Reissuppe (Vary sosoa) oder Reiskuchen, mittags und abends mit Gemüse, am Wochenende oder Feiertagen wird Fleisch und Fisch dazu gereicht - traditionelle Beilage ist der Tomatensalat Rogay, angemacht mit Zwiebeln und Chilli. Häufig verarbeitete Gemüsesorten sind Karotten, Auberginen, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Kohlgewächse und Maniok. Bei all den Gerichten spielen Gewürze eine zentrale Rolle – ob Chilli, Muskat, Pfeffer, Koriander, Nelken, Zimt oder landestypische Blattkräuter, trotz ähnlicher Grundzutaten entstehen so stets ausgefallene, überraschende und wahrlich köstliche Gerichte.

Die Reis-Eintopf-Kombinationen sind den unterschiedlichen Volksgruppen gemein gemein, doch kann man durchaus regionale und lokale Unterschiede ausmachen: An den Küsten spielt Fisch eine große Rolle, im tropischen Norden wird die Kokosnuss gerne verarbeitet und im trockenen Süden trifft man häufiger auf Hülsenfrüchte wie Bohnen oder spezielle Getreidesorten wie die Hirseart Sorghum.

 

Tiere und Pflanzen

 

Wie auch das kulturelle Leben ist geographische Isolation und das Vorkommen unterschiedlicher Klimazonen hauptverantwortlich für Madagaskars vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. So paaren sich halbwüstenartige Landschaften im Südwesten mit östlicherem Hochland und feuchten Regenwaldgebieten im Norden und an der oberen Ostküste. Man schätzt, dass rund 80% der Arten endemisch sind, sprich sie kommen nur auf der Insel vor. Es gibt schätzungsweise 12.000 verschiedene Pflanzenarten, darunter 170 Palmen und 960 unterschiedliche Orchideenarten wie die bekannte Vanille. Einen Sonderstatus nehmen die auch als Affenbrotbäume bekannten Baumriesen der Baobab sein: Weltweit existieren von ihnen nur acht Arten, auf Madagaskar finden sich alleine sechs davon.

 

In den daraus entstandenen, manchmal bizarr anmutenden, Landschaften hat sich eine beeindruckende Tierwelt angesiedelt. Man zählt 151 Säugetierarten, 183 Vogelarten, unter den Reptilien stechen Chamäleons, Würgeschlangen, Leguane und 175 verschiedene Froscharten hervor. Besonders erwähnenswert sind die 93 (!) unterschiedlichen Lemurenarten, man schätzt das sie sich einst aus einer einzigen heraus entwickelt haben. In den Wäldern leben Fossas, heimische etwa 35cm hohe und 10kg schwere Raubkatzen. Auch die an Igel erinnerenden Tenreks, hier lebend seit über 20 Mio. Jahren, gelten als Highlight. Um das besondere Erbe der Natur zu bewahren verfügen alle Regionen des Landes über geschützte Nationalparks, mittlerweile beläuft sich ihre Zahl auf über 50.

 

Ein alter Königspalast, Tomatensalat oder ein Lemur in der Baumkrone – es ist nur die Spitze des Eisberges. Um sich sowohl der kulturellen als auch landschaftlichen Welt auf der Insel bewusst zu werden, braucht es eine gigantische Vorstellungsgabe. Hat man das Glück, sie selbst zu erleben, wird man diesen magischen Ort wohl nie vergessen.


Autorin: Lea Katharina Nagel 

 

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