von Cordula Rabe

Der JakobswegPilgern im Zeichen der Jakobsmuschel

Sardiniens Küche
Quelle: © DuMont Bildarchiv / Arthur F. Selbach

Wie kaum eine andere Reiseroute verbindet der Jakobsweg eine tief spirituelle Dimension mit einer groβen touristischen Attraktivität. Groß sind auch die Hoffnungen, die zuweilen in ihn gelegt, aber keineswegs immer erfüllt werden.

Kaum hatte Alfonso II., König von Asturien, die Nachricht vom Auffinden des Grabes des Apostels Jakobus erhalten, da eilte er auch schon von Oviedo ins ferne Galicien. Rund 100 Jahre später, um 950, pilgerte Bischof Godescalc von Le Puy als erster Ausländer zum Apostelgrab. Die erste internationale Reiseroute Spaniens war geboren.

Ohne den Jakobsweg sähe Nordspanien vielleicht anders aus. Anfangs reisten die Pilger entlang der Atlantikküste, fern vom arabischen Einflussbereich. Während der Reconquista dehnte sich das christliche Siedlungsgebiet nach Süden aus. Steuerliche Erleichterungen und Handelsprivilegien lieβen Städte wie Estella rasch wachsen. Neue Straβen und Brücken machten den „Camino Francés“ von der französischen Grenze in den Pyrenäen über Pamplona, Logroño, Burgos, León, Astorga und Ponferrada als Reiseroute attraktiv. Klöster entstanden selbst in abgelegenen Ecken wie San Juan de Ortega, gut organisierte Ritterorden sorgten für die Sicherheit der Reisenden. Die Pilger gaben Spanien aber auch Anschluss an die Kultur und Gedankenwelt im übrigen Europa. Wunderbare romanische Kleinode wie das Felsenkloster von San Juan de la Peña bei Jaca, die Kapelle Santa María de Eunate bei Puente la Reina oder das bestechend schöne Kirchlein San Martín von Frómista gehören zu den Glanzmomenten des Weges. Bauwerke wie die gotischen Kathedralen von Burgos oder León beeindrucken die weit gereisten Pilger bis heute.

Pilgern als Egotrip?

Seit einigen Jahren ist die Anziehungskraft des Jakobsweges neu erwacht. Neben den einzigartigen Sehenswürdigkeiten und abwechslungsreichen Landschaften lockt vor allem seine religiöse und spirituelle Komponente. Für die mittelalterlichen Wallfahrer zählten vor allem das Ziel und die damit verbundene Erlösung von Sünden oder Erfüllung von Fürbitten. Moderne Pilger verlangen vom Weg selbst eine Antwort auf Fragen und Probleme aller Art. So gerät das Pilgern nicht selten zum Egotrip.

Seit zehn Jahren ist Acacio de Paz Herbergsvater am Camino Francés, zusammen mit seiner Partnerin Orietta führt er eine kleine Pilgerherberge in Viloria de Rioja (Provinz Burgos). Im Vergleich zu früher hätten viele Pilger die Bereitschaft zum Teilen verloren, beobachtete er, „oder auch die Fähigkeit, einfach nur zu sein, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen“. Vielen sei gar nicht bewusst, was sie da eigentlich tun. „Sie vergessen, dass nicht das Gehen das Wichtigste ist, sondern das bei sich sein.“ Würden mehr Pilger diese Überlegung beherzigen – die leidige und viel kritisierte Rennerei um die Betten auf dem Camino Francés hätte ein Ende. Denn auch das ist wahr: Allein ist hier schon lange niemand mehr unterwegs.

Der Weg des Lebens

Immer mehr Pilger suchen Alternativrouten jenseits vom Massen- und Zeitgeistpilgern. Fündig werden sie auf dem Nordweg entlang der Atlantikküste. Lange vernachlässigt, bietet er inzwischen eine angenehme Balance zwischen Ursprünglichkeit und Annehmlichkeiten. Ohne den Druck der Massen kann man hier noch im eigenen Rhythmus wandern und die Eindrücke wirken lassen. Umso einprägsamer sind Begegnungen mit Menschen wie Ernesto Bustio, dem Pfarrer der kleinen Gemeinde Güemes, kurz vor Santander, und Herbergsvater. Ende der 1970er-Jahre reiste er mehr als zwei Jahre lang durch Afrika und Südamerika, arbeitete in Bergminen und mit Andenbauern. Diese und weitere Reisen waren seine „Universität des Lebens“.

Seit Mitte der 1980er-Jahre ist die „Cabaña del Abuelo Peuto“ Begegnungsstätte und Sitz der NGO El Brezo, die sich für mehr Verständnis unter den Völkern und gegen Rassismus einsetzt. Als immer mehr Pilger anklopften, öffnete Bustio 1999 auch ihnen die Türe. Seine Herberge ist ein Werk freiwilliger Helfer und gefundener oder geschenkter Materialen. Bustio setzt damit ein Zeichen gegen den zunehmenden Konsumismus und die Wegwerfgesellschaft, wie er beim gemeinsamen Abendessen am groβen Tisch erzählt. Im besten Fall, so hofft er, nehmen die Pilger ein Stück Gemeinschaftsgefühl und Toleranz nicht nur mit auf den Weg, sondern auch in ihr Leben danach. Denn: „Der Jakobsweg führt viel weiter als bis Santiago de Compostela. Er ist wie jener andere Weg, den wir beschreiten: das Leben.“ Über Santiago hinaus sollte er uns zu uns selbst – und zu den anderen – führen.

Pilgerausweis und Webadressen

Pilgerausweis: Die „Credencial“ ist für die Übernachtung in den speziellen Pilgerherbergen notwendig. Meist wird in Schlafsälen mit Etagenbetten geschlafen (Preis pro Übernachtung: Spende bis etwa 15 Euro).

Die wichtigsten Webadressen:
www.haus-st-jakobus.de
www.jakobus-franken.de
www.jakobus-info.de
www.caminodesantiago.consumer.es
www.mundicamino.com
www.caminosnorte.org

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