von Barbara Schaefer

Shopping alla TurcaHandeln, feilschen, freuen

Quelle: © DuMont Bildarchiv/Frank Heuer

“Old Bazaar, Shopping Mall since 1461” steht an einer der Eingangspforten zum inneren Bereich des Großen Basars. Der Basar als solcher ist die Mutter aller Shopping Malls, und einer der traditionsreichsten der Welt findet sich im Herzen der Altstadt von Istanbul.

Die erste Markthalle, aus der sich der Große Basar entwickelte, ließ Mehmet II. Fatih bereits im Jahr 1461 errichten, um die Stadt mit Leben und Händlern zu füllen. Mit Erfolg: Ein Gesandter der Habsburger berichtete im 16. Jahrhundert, als der Große Basar unter Süleyman dem Prächtigen gerade enorme Erweiterungen erfuhr: “Es hat auch ein fürtrefflich Kaufhaus zu Constantinopel, darin man allerlei köstliche War’ findt, die aus fernen Landen dahin gebracht werden.” Das ist bis heute so. Wie aber kommen all die Waren in die engen Gassen des Großen Basars, der nach einem Erdbeben im Jahr 1894 umfassend restauriert wurde?

Früher Vormittag, alle Straßen um den Basar sind verstopft mit kleinen Lastwagen. Auf den Trottoirs drängen sich Männer mit Traggestellen auf dem Rücken. Ein gepolstertes Brett, am unteren Ende ein dicker Wulst. Darauf lassen sie sich gigantische Säcke mit Waren wuchten, tragen es gebückt die steilen Gassen hinauf. Rund 25 000 Menschen arbeiten in den gut 3500 Läden; Handwerker sind nur noch wenige darunter. Wer danach sucht, kann die letzte ratternde Seidenspinnerei in einer der Gassen finden. Rentabel ist das nicht mehr. Auf den Paketen des Hamal, des Lastenträgers, steht nun oft “Made in PRC” – hergestellt in der Volksrepublik China.

Babylonisches Sprachengewirr

Zwischen 250 000 und 400 000 Besucher sollen hier täglich unterwegs sein. Eine Engländerin packt einen Schal ein und zählt auf: rot, gelb, blau, dunkelblau – ob sie vielleicht noch einen violetten kaufen soll? Please, Madam. Gutten Tack, Hola, Señora, Buon giorno, Signorina, Strastwuitje, Bom dia – es scheint keine Sprache zu geben, die in diesem Gassengewirr nicht gesprochen wird: von den Händlern. Sie sehen es den Kunden an den Augen, der Kleidung an, woher sie kommen – und was sie auszugeben bereit sind. Wer sich belästigt fühlt, wenn er von Verkäufern angesprochen wird, der sollte nicht in den Basar gehen – hier gehört das einfach dazu. Es mag allzu aufdringliche Anbieter geben, das schon. Aber es gibt auch unfreundliche Besucher. Einen Gruß zu erwidern, heißt ja noch nicht, dass man einen Teppich kaufen muss. Oder Bettüberwurfdecken aus Spitzen wie geschlagene Sahne, Tischtücher, so farbig wie die Bemalungen an der Decke des Basars.

Es riecht nach Mottenkugeln, junge Männer balancieren Tabletts mit gefüllten Teegläsern in die Verkaufsstände. Wird erst einmal Tee getrunken, sind sich Händler und Käufer schon einen Schritt näher gekommen. Auch Murat Akca fragt, nachdem er die fünfte Halskette zur Ansicht aus einer Vitrine herausgeholt hat, ob die Besucherin etwas trinken möchte. Der junge, gut Englisch sprechende Mann ist freundlich. Sein Laden ist spezialisiert auf zentralasiatischen Schmuck und Kunsthandwerk. Wobei das nicht bedeutet, dass man diese Ketten aus Jade oder Armbänder aus schwerem Silber nicht auch woanders bekäme. Zum Beispiel zwei Türen weiter, bei Murats Vater. Der fährt alle paar Monate nach “Afghanistan, Turkmenistan und so weiter” und kauft dort ein. Die Geschäfte gehen jedoch nicht mehr so gut, sagt er. “Die Leute wollen keine angemessenen Preise mehr bezahlen”, klagt er. Die Klage gehört zum Geschäft. Natürlich wissen die Händler, dass in jedem Reiseführer steht, dass man im Basar feilschen müsse.

Wer sich daran stört, der sollte vielleicht mal mit der Metro hinaus nach Levent fahren und den Kanyon besuchen, eines der neuen großen Einkaufszentren an der Peripherie der sich beständig ausbreitenden Stadt: Auf vier Etagen findet der potenzielle Kunde hier nicht nur 160 Shops von A wie Apple bis Z wie Zara, sondern auch Kinos, Fitnesscenter, Restaurants und vieles andere mehr in futuristisch anmutender Umgebung. Gefeilscht wird hier nicht mehr – anders als im Großen Basar, in dem manche Touristen selbst noch den Preis für ein Glas Tee herunterhandeln möchten. Zu Hause holen sie dann Tüten voller bunter Gewürzpulver aus dem Koffer, vertrocknete Kräuter, deren Heilwirkung sie vergessen haben. Immerhin: Die getrockneten Aprikosen schmecken noch lange gut.

Auf einen Blick

Großer Basar (Kapalı Çarşı): Ob es nun 3500 Verkaufsstellen sind oder 4000 – die Angaben schwanken sehr. Wie sollte auch exakt bestimmt werden, was in den überdachten Gassen zwischen Nurosmaniye-Moschee im Osten und der Beyazıt-Moschee im Westen als eigenständiger Laden gilt? Hinzu kommen vier Brunnen, zwei Hamams, verschiedene Cafés und Restaurants, zwei Moscheen, Toiletten, eine Polizeistation (Mo.–Sa. 8.30–19.30 Uhr, www.kapalicarsi.org.tr.).

Kanyon: Die modernste Variante eines Basars – ein auch architektonisch spektakuläres Shoppingzentrum mit futuristischem Turm und offenen Galerien (Büyükdere Caddesi 185, Metrostation Levent, www.kanyon.com.tr, tgl. 10.00–22.00 Uhr).

Buchtipp: Die Basare Istanbuls. Mosaik einer sinnlichen Welt mit 30 Rezepten, von Laura Salm-Reifferscheidt, mit Fotografien von Moritz Stipsicz, Wien 2008. Opulenter Bildband mit vielen Hintergrundreportagen.


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